Jedes siebte Kind auf der Welt arbeitet

KINDERARBEIT Die Internationale Arbeitsorganisation zweifelt daran, ihr Ziel zu erreichen, Kinderarbeit bis 2016 auszumerzen. Kritiker meinen, ein generelles Verbot könne die Situation arbeitender Kindern verschlechtern

AUS BERLIN JULIA HENKE

Sie schleppen riesige Steine, schuften in stickigen Fabriken oder versprühen Pestizide auf Feldern. Weltweit arbeiten 215 Millionen Kinder – und es werden kaum weniger. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am Freitag in Genf vorstellte. Demnach reduzierte sich die Zahl der Kinderarbeiter von 2004 bis 2008 um sieben Millionen – das ist ein Anteil von drei Prozent. In der vorigen Studie aus den Jahren 2000 bis 2004 waren es zehn Prozent.

Frank Hagemann, Chef für Politik und Forschung im Bereich Kinderarbeit bei der ILO, begründet die Entwicklung damit, dass viele Firmen ihre Produktion nach Asien auslagerten. In der Folge würden dort viele ungelernte Arbeitskräfte benötigt. Auch die globale Vernetzung führe dazu, dass viele Kinder in den weit verzweigten Exportlieferketten arbeiteten – besonders in der Landwirtschaft. Zudem hat Hagemann eine „Kinderarbeitsmüdigkeit“ festgestellt: Die internationale Gemeinschaft stelle weniger Geld für Projekte zur Verfügung, und der politische Wille sei abgeflaut.

Zum ersten Mal seit zwölf Jahren beginnt am Montag in Den Haag eine globale Konferenz zum Thema Kinderarbeit. Denn noch immer verbringt jedes siebte Kind im Alter von fünf bis 17 Jahren seine Zeit mit geringfügig oder gar nicht bezahlter Arbeit. Während Asien und Lateinamerika die Zahl der Kinderarbeiter reduzierten, wuchs sie südlich der Sahara sogar an. 115 Millionen Kinderarbeiter sind in Bereichen tätig, die die ILO als gefährlich einstuft, da sie sich negativ auf Sicherheit, Gesundheit oder geistige Entwicklung des Kindes auswirken. In diesem Bereich verringerte sich die Kinderarbeit um zehn Prozent – in der Periode zuvor war die Zahl noch um 25 Prozent gesunken.

Die ILO bezweifelt, ihr Ziel erreichen zu können, bis 2016 die schlimmsten Formen von Kinderarbeit auszumerzen. Andere Organisationen bewerten das Ziel ohnehin kritisch. Manfred Liebel, Koordinator des European Network of Masters in Children’s Rights sagt, dass ein generelles Verbot die Situation vieler Kinder sogar verschlechtern würde. Wer illegal arbeiten müsse, hätte dann „noch weniger Rechte und wäre praktisch vogelfrei“. Er schlägt vor, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem Kinder soziale Unterstützung erhielten, über ihre Rechte aufgeklärt würden und sich organisieren könnten.

Liebel sieht keine Beweise dafür, dass die Zahlen überhaupt sinken. Er kritisiert, die Daten der ILO-Studie erfassten „nur einen Bruchteil der arbeitenden Kinder“. Die Daten gehen auf Erhebungen in 60 Ländern zurück, die von ILO, Weltbank und Unicef durchgeführt wurden. Hagemann nennt die Daten „verlässlich“, schränkt aber ein, dass es sich um eine Schätzung handele. „Da gibt es natürlich eine Fehlermarge, aber die ist recht klein.“

Im Netz: www.ilo.org