Der Patient atmet wieder

Der Fühlinger See im Kölner Norden wurde mit einem aufwändigen Programm ökologisch saniert. Die Rettung des beliebten Baggersees könnte Vorbild sein für andere Freizeitgewässer

VON JÜRGEN SCHÖN

Irgendwann war es einfach zu viel für den Fühlinger See: Bis zum Sommer 2004 tummelten sich gut 90.000 Badegäste aus nah und ganz fern an einem Wochenende am und im See. Die Folge: Fäkalbakterien verseuchten das Gewässer im Kölner Norden, der See kollabierte, das Baden wurde verboten. Stadt, Universität und städtische Gas- und Elektrizitätswerken starteten ein aufwändiges Sanierungsprogramm. Tauchsportvereine und eine Schule halfen ehrenamtlich. Es wurde ein gemeinnütziger Förderverein gegründet. 2005 wurde die Sanierung erfolgreich abgeschlossen. Jetzt als Buch vorgelegt, soll das Projekt Vorbild für andere „stehende Gewässer anthropogener Herkunft mit hohem Freizeitdruck“ werden.

Entstanden ist das Naherholungsgebiet Fühlinger See Anfang der 80er Jahre aus sieben, heute miteinander verbundenen Kiesgruben. Dazu kam eine rund 2,5 Kilometer lange Regattastrecke, auf der schon Ruder-WMs und mehrere deutsche Meisterschaften stattfanden. Die einzelnen Seen sind ganzjährig für Angler, Surfer und Sporttaucher freigegeben. Bekannt ist der See auch als Veranstaltungsort – etwa des „Summerjam“, Deutschlands größtem Reggaefestival. Baden ist offiziell nur in einem Freibad erlaubt, wird aber außerhalb geduldet. Die gesamte Wasserfläche beträgt über 74 Hektar, die Wassertiefe bis zu 16 Metern.

Der Fühlinger See ist ein typischer „Baggersee“, wie sie meistens beim Kiesabbau entstehen. Da diese keinen ständigen Frischwasserzulauf haben, ist das Wasser stark geschichtet und in der Tiefe kalt und sauerstoffarm. Die Ufer fallen schnell steil ab. Organismen und Schadstoffe, die auf den Grund sinken, werden nicht abgebaut. Es entsteht Faulschlamm mit Stickstoff und Phosphat – der See eutrophiert, der Algenbewuchs steigt an. Verstärkt wird dieser Prozess durch menschliche Fäkalien und überreichliches Entenfüttern.

Für die ökologische Sanierung des Sees ist es daher vor allem wichtig, das Tiefenwasser mit Sauerstoff zu versorgen. In Köln geschieht dies durch Aggregate, die das Tiefenwasser nach oben pumpen, es mit Luft mischen und wieder nach unten leiten. Zudem wird dem See Phosphat und Stickstoff entzogen, indem man den Algen gezielt Bewuchsflächen anbietet, die regelmäßig „geerntet“ werden.

Eine Besonderheit des Sanierungsprojekts ist der „Bio-Park“, als Teil des Ökologieunterrichts von der nahen Heinrich-Böll-Gesamtschule betreut und ausgewertet. Der Park besteht zum einen aus einer solarbetriebenen Pumpstation, die Sauerstoff in den See leitet, zum anderen aus einem abgetrennten künstlichen Feuchtgebiet und einer Hydrokulturanlage. Hier wachsen Pflanzen, die das Wasser filtern. So lassen sich Gewässer reinigen, deren Verschmutzung durch Exkremente „zu dünn“ für herkömmliche, aufwändige Kläranlagen ist – ideal für Problemgewässer in der Dritten Welt, aber auch für den Bodensee. Interesse angemeldet hat schon die chinesische Stadt Wuhan.

Zusätzlich wurde die Attraktivität des Sees gezielt gesenkt und so der Besucherstrom gebremst. Parkplätze sind nicht mehr kostenlos, Tauchergebühren wurden erhöht. Zäune an einzelnen Uferstücken verhindern den direkten Zugang zum Wasser und bilden Schutzzonen für Vegetation. Durch Verzicht auf Mähen wurde die Fläche der Liegewiesen eingeschränkt. Seitdem werden selbst an heißen Tagen nur noch bis zu 40.000 Badegäste an den Wochenenden gezählt. Außerdem wurden zusätzliche Toiletten aufgestellt, deren Nutzung allerdings noch „gelernt“ werden muss. Umfragen ergaben, dass sich fast jeder zweite Besucher im See oder „in der Natur“ erleichtert.

Sollte die Besucherzahl allerdings in die Höhe vor der Sanierung wachsen, müsste der See wieder für den Badebetrieb geschlossen werden. Denn darauf sind die laufenden Maßnahmen nicht eingerichtet. Wie Dieter Sanden vom städtischen Sportamt erklärt, sorgen sie „nur“ langfristig dafür, dass die EG-Richtlinien für verschmutzte Gewässer „kontinuierlichen deutlich unterschritten“ werden.

Wolfgang Große, Dieter Sanden, Hartmut Haemig: „Der Fühlinger See – Beiträge zur Erhaltung der ökologischen Qualität“ Münster 2005