Kaum Jobs, weniger Perspektive

Arbeitnehmerkammer zieht vernichtende Bilanz von Hartz IV. Statt Ein-Euro-Jobs fordert sie eine Rückkehr zur kommunalen Arbeitsmarktpolitik samt Bekenntnis zum zweiten Arbeitsmarkt

von Armin Simon

Eine vernichtende Bilanz nach einem Jahr Hartz IV in Bremen hat gestern die Arbeitnehmerkammer gezogen. Die Reform, die die Arbeitslosigkeit halbieren sollte, habe real „keinerlei Beschäftigungswirksamkeit“ gezeigt, sagte Klaus Jakubowski, Referent für Sozialpolitik. Vielmehr sei die Arbeitslosigkeit – auch nach den vor der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe geltenden Maßstäben gestiegen. Und anstatt eine Grundsicherung zu schaffen, habe Hartz IV „einen zusätzlichen Teil der Bevölkerung unter die Armutsgrenze gedrückt“.

Bremen sei von dieser Entwicklung noch stärker betroffen als andere Bundesländer, so Jakubowski. Pro 1.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gab es im Land Bremen 365, im Bundesdurchschnitt 193 und im Schnitt der alten Bundesländer 154 ALG-II-EmpfängerInnen. Unter den Großstädten mit mehr als 500.000 EinwohnerInnen belegte Bremen mit 333 den fünftschlechtesten Platz. Zähle man Arbeitssuchende und UmschülerInnen mit dazu, seien im Zweistädtestaat inzwischen 80.000 Menschen ohne Arbeit, von den offiziell eingeräumten 49.000 Arbeitslosen Ende 2005 waren mehr als die Hälfte ohne Schulabschluss oder Ausbildung. Die „Abkoppelung“ Bremens vom Bund habe sich durch Hartz IV noch verstärkt, sagte Jakubowski. Und: „Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Trendumkehr.“

Für besonders fatal hält die Kammer die so genannten Ein-Euro-Jobs. Diese trügen dazu bei, „dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigung noch weiter ab- und für die Betroffenen keinerlei Perspektive aufgebaut wird“, unterstrich Hauptgeschäftsführer Hans Endl. Dass die Akzeptanz für die Ein-Euro-Jobs dennoch überraschend groß sei, liege daran, dass die Arbeitslosen diese als „letzte Chance“ wahrnähmen – auch wenn es diese de facto kaum gebe.

Endl forderte aus diesem Grund gestern die Rückkehr zu einem staatlich geförderten zweiten Arbeitsmarkt. Bei ABM-Stellen etwa sei die Chance, sich tatsächlich zu qualifizieren und anschließend an Ort und Stelle in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen zu werden deutlich höher als bei den Ein-Euro-Jobs.

Dass auch unter den Bedingungen von Hartz IV eine derartige kommunale Arbeitsmarktpolitik noch möglich sei, beweise das Beispiel der Stadt Bremerhaven: Dort kamen im vergangenen Jahr über ABM-Maßnahmen immerhin noch 780 Menschen in den Genuss einer „sozialversicherungspflichtigen, armutsfesten und existenzsichernden Beschäftigung“ – doppelt so viele wie in Bremen. Bei den Ein-Euro-Jobs herrscht das umgekehrte Verhältnis: In Bremen gibt es mit mit 5.000 fast dreimal so viele wie in Bremerhaven.

Weder sachlich noch finanziell mache das Sinn, so Jakubowski: Mit dem Geld für vier Ein-Euro-Jobs ließen sich drei ABM-Stellen finanzieren. Dass dies nicht geschehe, sei allein eine politische Entscheidung: „Man hat Gestaltungsspielräume, nutzt sie aber nicht.“

Sozialstaatsrat Arnold Knigge wies die Vorwürfe zurück. Das Verhältnis von ABM-Stellen zu Ein-Euro-Jobs sei „ein ungeeigneter Erfolgsmaßstab“, sagte er der taz. Nichtsdestotrotz wolle man die sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsangebote ausbauen. Für Beschäftigungsträger, so Knigge, seien ABM-Stellen finanziell aber „nicht interessant“. Ein-Euro-Jobs dagegen bringen pro Kopf und Monat 500 Euro – für den Träger.