Väter tragen noch nicht genug

Elterngeld ist Gesprächsthema auf Spielplätzen. Einige Mütter wollen Väter noch stärker verpflichten. Andere sehen sich als Geringverdienende benachteiligt. Hauptproblem bleibe aber der Arbeitsmarkt

VON KAYS AL-KHANAK

Die Kinder buddeln im Sand. Die Eltern liegen sich in den Haaren. Auf dem Spielplatz am Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg wird das von der Bundesregierung angekündigte Elterngeld kontrovers diskutiert. Ab dem 1. Januar 2007 sollen Eltern bis zu 14 Monate lang zwei Drittel ihres bisherigen Gehaltes vom Staat bekommen – allerdings nur, wenn auch der Vater mindestens zwei Monate auf seinen Job verzichtet. Vor allem Letzteres ist im Babyboombezirk umstritten.

Ulrich Schödel sitzt auf einer Mauer am Rand des Spielplatzes. „Das neue Erziehungsgeld ist super“, sagt der Grafikdesigner. Ohne große finanzielle Einbußen könnten sich Männer intensiv mit ihrem Kind beschäftigen. Bisher habe ein berufstätiger Vater Probleme, in den ersten Jahren einen vernünftigen Zugang zum Nachwuchs zu finden, weil er einfach zu oft unterwegs sei, glaubt der 40-Jährige: „Viele kümmern sich doch erst um die Kleinen, wenn die sich fürs Kicken interessieren.“

Eine Bank weiter spielt Sybille Hein mit ihrem kleinen Sohn. Auch sie begrüßt den Plan der großen Koalition. „Tragisch ist nur, dass Männer nicht noch viel stärker in die Pflicht genommen werden“, betont sie. Die Regierung solle erzwingen, dass sich der Partner länger als zwei Monate mit dem eigenen Nachwuchs beschäftigen muss. Denn: „Das erste Jahr mit einem Neugeborenen ist sehr anstrengend.“ Der Partner solle diesen Stress auch erleben, meint die 34-Jährige. Dennoch ist sie sich sicher: Aufgrund des Gesetzes werden mehr Menschen über Nachwuchs nachdenken. „Als Illustratorin von Kinderbüchern ist das natürlich auch in meinem Interesse“, sagt sie augenzwinkernd.

Die arbeitslose Erzieherin Anja Beier hingegen lässt kein gutes Haar an der Gesetzesnovelle: „Wenn man viel verdient, mag das ja noch okay sein.“ Aber „für die meisten ist es doch ein Mistgeschäft“, flucht die 30-Jährige lautstark. Die Regierenden würden vom günstigsten Fall ausgehen, „dass die meisten Menschen eine vernünftige Beschäftigung haben“. Dies sei aber realitätsfremd, sagt Beier. Für Paare, die wenig verdienen oder auf Arbeitslosenhilfe angewiesen seien, würde sich das Elterngeld auf keinen Fall rechnen.

Jeannette Fester und ihr Lebensgefährte Michael Wnuk schieben gemeinsam ihren Sohn im Kinderwagen Richtung Spielplatz. Auf die neue Staatsförderung angesprochen, reagieren sie skeptisch. „Das Ziel ist klar: die einkommensstarken Gruppen sollen mehr Kinder bekommen“, mutmaßt der 41-Jährige. Besser wäre es, wenn in die Betreuung der Kinder investiert würde, betont er. Sie unterbricht ihn. „Ich möchte doch auch als Mutter zwei Jahre bei meinem Kind bleiben – und nicht nur 12 bis 14 Monate“, sagt die 39-Jährige. Diese Zeit sei prägend für den Nachwuchs. „Und das erlebt man mit dem Kleinen nur einmal.“ Natürlich wolle auch sie wieder ihren Beruf als Anthropologin ausüben. „Doch ich frage mich, ob ich mein Kind schon so früh betreuen lassen will.“

Die neue Regelung hält Wnuk für „Symbolpolitik“. Männer würden die propagierte zweimonatige Auszeit sicher gerne nutzen – „nur nicht für die Familie“, sagt er und lacht. Zurzeit denkt das Paar über ein weiteres Kind nach. Doch auch das neue Elterngeld erleichtere die Entscheidung nicht, wenn der Arbeitsmarkt elternfeindlich bleibe. „Welcher Arbeitgeber stellt mich wieder an“, fragt Jeannette Fester, „wenn ich nach zweijähriger Pause noch einmal schwanger werden möchte?“