EU setzt Verhandlungen aus

Serbien muss zunächst seine volle Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag beweisen – am besten durch die Verhaftung des gesuchten Ratko Mladić

BRÜSSEL/BELGRAD rtr/taz ■ Die Europäische Union (EU) setzt die Verhandlungen mit Serbien über eine engere Zusammenarbeit aus, um eine Verhaftung des als Kriegsverbrecher gesuchten Ratko Mladić zu erzwingen. Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte gestern in Brüssel, Serbien arbeite nicht ausreichend mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag zusammen. UN-Chefanklägerin Carla del Ponte warf der serbischen Regierung vor, sie getäuscht zu haben.

„Es ist enttäuschend, dass Belgrad nicht in der Lage war, Mladić aufzuspüren und nach Den Haag zu bringen“, sagte Rehn. Die EU setze daher die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen aus. Trotz der Absage der für kommende Woche geplanten Gesprächsrunde könnten die Gespräche weitergehen, sobald Serbien voll mit dem Tribunal zusammenarbeitet.

Del Ponte sagte in Den Haag, Ende März habe ihr die serbische Regierung noch versichert, die Verhaftung von Mladić sei nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen. Ihr lägen Berichte vor, wonach Mladić bereits Ende Januar hätte verhaftet werden können. Die Regierung habe darauf verzichtet, um ihm die Chance zu geben, sich zu stellen. Die serbische Regierung erklärte, der Aufenthaltsort des früheren Militärchefs der bosnischen Serben sei unbekannt. Mladić befände sich auf der Flucht.

In Serbien selbst führte die Nachricht aus Brüssel zu aufgeregten Debatten. Brüssel habe kein Verständnis mehr für die Versprechungen der serbischen Regierung und werde allein die Auslieferung des wegen Kriegsverbrechen gesuchten Generals an das Tribunal anerkennen, erklärte Rasim Ljajić, Vorsitzender des serbisch-montenegrinischen Nationalrats für die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal in Den Haag. Bisher seien 130 Leute bekannt, die Mladić in verschiedenen Phasen versteckt hätten, sagte Ljajić, man hoffe deshalb, dass die Fahndungsaktion bald konkrete Resultate zeigen würde.

Obwohl die serbische Regierung versucht, die Bedeutung der angekündigten Suspendierung der europäischen Integrationsprozesse Serbiens herunterzuspielen, warnen Experten vor ernsthaften politischen und wirtschaftlichen Folgen. Dies sei eine „rigide“ Maßnahme, die zu einer Krise der Beziehungen zwischen Belgrad und Brüssel führen könnte, warnte etwa Jela Bacević aus dem Büro für EU-Beitrittsverhandlungen.

Serbiens nationalkonservativer Premier, Vojislav Koštunica, hüllt sich währenddessen in Schweigen. Einzelne Medien und Politiker forderten ihn vergebens auf zu erklären, warum die von Milošević-Sozialisten (SPS) unterstützte Minderheitsregierung nicht in der Lage sei, ihre Verpflichtungen gegenüber dem Tribunal zu erfüllen, und so die europäische Zukunft Serbiens bedrohe. Die SPS drohte zuvor, der Regierung die Unterstützung zu entziehen, falls Mladić mit Gewalt festgenommen würde. Serbische Minister beteuern trotzdem unisono, dass die Festnahme von Mladić ein „technisches“ Problem sei, der politische Wille sei vorhanden.

Der Außenminister Montenegros, Miodrag Vlahović, erklärte, die mangelnde Zusammenarbeit der serbischen Regierung mit dem Tribunal bremse auch die europäischen Intergrationsprozesse Montenegros. Auch deshalb sei die Unabhängigkeit Montenegros so wichtig, sagte Vlahović. Das Referendum über die Unabhängigkeit wird am 21. Mai stattfinden. ANDREJ IVANJI