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EINE NACHT MIT ELVISBier auf dem Balkon

Wir tanzen wild, reißen die Arme zur Seite, holen das Letzte aus den Beinen

Wir waren auf einer Lesung. L., der aus Litauen kommt, erzählt von der Arbeit der dortigen Sprachkommission. Ich rufe M. an. Er erklärt den Weg und sagt, dass das Bier ausgehe und dass es gut sei, wenn wir ein Sixpack mitbringen würden.

So laufen wir eine Viertelstunde später mit so einem Ding in einer Plastiktüte eine Straße herunter, und ich denke, dass man das früher, im vergangenen Jahrtausend, mit zwei Fingern trug. Eine Tüte wäre das Letzte gewesen. Dem Geburtstagskind, das ein gestreiftes Hemd und Zweitagebart trägt, erklären wir etwas umständlich, dass wir Freunde von M. und A. seien und sehr gerne mitfeiern würden. Leider vergessen wir zu gratulieren, wir wollen nur gerne rein. T. stellt uns kurz vor, wir seien Lyriker, sagt er. Das Geburtstagskind mustert uns belustigt und sagt: „Alles gut, Jacken ins Schlafzimmer, Bier auf dem Balkon, und klaut keine Gedichtbücher!“

Wir legen die Jacken ins Schlafzimmer, Bücher haben wir eh zu viel, und treffen M. und A. auf dem Balkon. „Bier?“, sagt M. – „Kühlschrank“, sage ich. Es ist der vierte Stock, vielleicht drei Meter über den Baumkronen. Sieht man länger hoch, werden die Sterne klarer. Wir reden und trinken das Kühlschrankbier. Wir reden und trinken von dem, was in der Küche steht. Irgendwann, die Messung der Zeit wird eh überschätzt, tanzen wir zu Elvis und Elvis und nochmal Elvis.

Der Mann, der die Musikanlage bedient, sieht eigentlich aus, als könnte er die gesamte Postmoderne rückwärts aufsagen. Aber nein, Elvis. Wir tanzen wild, reißen die Arme zur Seite, holen das Letzte aus den Beinen, als könnten wir alle Sprachkommissionen der Welt niedertanzen. L. hat einen langen Backen- und Kinnbart, der sich dabei leicht bewegt. Nach dem 35. Elvis-Song rufe ich dem DJ zu: „Themenwechsel!“ Er lächelt und nickt und wechselt zu den Stray Cats. Manchmal müsste man die Klappe halten. BJÖRN KUHLIGK

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