Hamburger Schulen melden mehr Fälle von Gewalt

NEUES MELDESYSTEM Schulbehörde mahnt zu sachlicher Diskussion und Interpretation von Statistiken

„Mehr Gewalt an Hamburgs Schulen“, lauteten die Schlagzeilen in der Hansestadt in den vergangenen Tagen. Doch gestiegen ist lediglich die Zahl der gemeldeten Fälle. Das dürfe man mit den tatsächlichen Fällen von Gewalt an Schulen nicht gleichsetzen, warnt der Leiter der Beratungsstelle Gewaltprävention der Schulbehörde, Christian Böhm. „Die gestiegenen Zahlen sind zunächst nur ein Beleg, dass die Schulen das Meldesystem annehmen und mehr Fälle melden“, erklärte Böhm gestern die Statistiken. Diese hatte der Senat auf die Anfrage der SPD-Abgeordneten Andreas Dressel, Carola Veit und Ties Rabe vorgelegt.

Sie wollten wissen, wie sich die Gewalt an Schulen entwickelt hat. Seit zwei Jahren sollen alle Schulen Gewalttaten melden. Diese Richtlinie wird nun mehr und mehr umgesetzt.

Insgesamt gaben die Hamburger Schulen 484 Fälle von Gewalt im Zeitraum zwischen April 2009 und März 2010 weiter. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 123 mehr, ein Plus von 34 Prozent. Besonders viele Fälle – 42 Prozent mehr – zählen zur Kategorie I, wie Sexual- und Raubstraftaten, gefährliche Körperverletzung sowie Waffen- und Drogendelikte. Der SPD-Abgeordnete Dressel fordert, betroffene Schulen öffentlich zu machen. Außerdem mahnt er, das „relevante Dunkelfeld“ nicht zu vergessen, wenngleich mehr Fälle gemeldet würden.

Gestiegen ist auch die Zahl der Schulen, die Gewalt meldeten: Von 139 auf 173. Mehr als die Hälfte der rund 400 Schulen aber hat sich aber auch im vergangenen Jahr nicht am Meldesystem beteiligt. Im Schnitt gebe es also drei Gewaltfälle pro Jahr an den Schulen, die sich am Meldesystem beteiligt hätten, erörterte der Leiter der Beratungsstelle und warnte vor Panikmache durch die SPD. „Ob das nun dramatisch ist, weiß ich nicht.“

Klein reden will Böhm die Gewalt dennoch nicht. „Natürlich ist jeder einzelne Fall schlimm und es muss reagiert werden.“ Präventionsprogramme wie das Ausbilden von Streitschlichtern gibt es an Hamburger Schulen seit über zehn Jahren. Deren Effektivität lässt sich allerdings nicht so einfach nachweisen. Wissenschaftlich sei es schwer zu belegen, dass eine Veränderung der Gewalt eindeutig auf die Präventionsmaßnahmen zurückgehe, erklärte Böhm.VERONIKA WAWATSCHEK