Frische Baukopien am Reichstag
: Kuppeln und Ballern

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner legt sich auf der Baustelle vor dem Paul-Löbe-Haus mächtig ins Zeug. Erst setzt sich die in einen gelben Anzug gewandete Politikerin einen weißen, klobigen Sicherheitshelm auf. Dann beaufsichtigt die Sozialdemokratin sechs muskulöse Bauarbeiter, die ein Betonfundament auf den Boden setzen. Schließlich klettert sie wagemutig auf einen Kran und lächelt in die zahlreich auf sie gerichteten Kameras. So viel Aufwand ist durchaus angebracht. Denn hier vor dem Paul-Löbe-Haus geht es nicht um den Bau eines weiteren bedeutungslosen Bürohauses. Hier wird der offizielle Baubeginn der Bundestagsarena gefeiert. Ende Mai, pünktlich zur Fußball-WM, soll sie fertig sein.

Die von Kastner angepriesene Arena liegt in Sichtweite des Reichstages. Und damit man schon von weitem erkennen kann, dass hier noch ein politisches Gebäude entsteht, bekommt die Arena die Form einer Kuppel – schließlich hat das berühmtere Nachbargebäude auch eine oben auf dem Dach. 22 Meter hoch wird die Kopie. Bei 30 Metern Durchmesser sollen 550 Besucher Platz finden. 2,5 Millionen Euro kostet das temporäre Vergnügen. Sie werden vom Bundestag und von Sponsoren getragen.

Vom 7. Juni bis zum 9. Juli sollen nach dem Willen der Bauherren „Besucher aus aller Welt“ das Miniparlament mit Leben füllen. In einem halbstündigen Programm sollen sie die Aufgaben und Arbeitsweisen des Bundestages kennen lernen. Sie dürfen selbst abstimmen und „historische Momente der deutschen Demokratiegeschichte“ erleben.

Dabei sitzen die Besucher in einem Halbkreis, nach Fraktionsstärke eingeteilt und entsprechend farblich gestaltet. Bei Sonderveranstaltungen der Fraktionen und Ausschüsse sollen aktuelle Themen aufgegriffen und diskutiert werden. „Es wird dort interessante Einblicke geben, auch für Leute, die primär Fußball im Kopf haben“, erklärte Bundestagsdirektor Hans-Joachim Stelzl. Besucher, die sich nicht in die lange Schlange für die Originalkuppel auf dem Reichstag einreihen wollen, könnten in der Minikopie die Atmosphäre im Parlament erleben, glaubt Bundestagsvizepräsidentin Kastner.

Allerdings dürfen sich die Besucher auf dem kurzen Weg vom Original zur Kopie nicht durch die wachsende Konkurrenz ablenken lassen. Zum einen errichtet der TV-Sender Phoenix direkt neben der Bundestagsarena sein WM-Studio. Noch auffälliger im Weg steht die Kopie des Olympiastadions, die der Sportartikelkonzern Adidas gerade aus der Reichstagswiese stampft. Darin dürfen die Besucher zwar nicht ganz demokratisch die Hand heben, dafür aber vor gigantischen Fernsehleinwände La Ola probieren.

Schließlich hat nur zwei Stahlgerüste entfernt gestern auch noch der so genannte Pinkelpavillon am Reichstag Richtfest gefeiert. Der wird bedürftigen Berlin-Besuchern nicht nur Erleichterung, sondern auch Infomaterial über Stadt und Parlament bieten. Danach können sie sich den Gang in die eine oder die andere Kuppel glatt sparen – und lieber noch ein bisschen Fußball gucken. Kays Al-Khanak