„Bis jetzt bin ich immer gewählt worden“

Heide Simonis, 62, ehemalige Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein, wird für ihre Auftritte in der RTL-Show „Let’s Dance“ (morgen 21.15 Uhr) mit bösartiger Häme überschüttet. Warum die Vorsitzende von Unicef-Deutschland trotzdem durchhalten will – aber nicht mehr in eine Unterhaltungsshow dieser Art gehen wird

INTERVIEW SUSANNE LANG

taz: Frau Simonis, fällt es Ihnen schwer angesichts der Bild -Kampagne gegen Sie morgen in der RTL-Show „Let’s Dance“ wieder zu tanzen?

Heide Simonis: Kampagne, ja das kann man wohl sagen! Aber es ist für mich selbstverständlich, dass ich diese Sendung weiter mitmache. Der Sender hat sich schließlich im Gegenzug verpflichtet, eine Spende an das Kinderhilfswerk Unicef zu überweisen.

Und Ihr gemeinsames Engagement gleich mal auf diverse andere Shows wie Dschungel-Camp erweitert?

Das hat mich doch sehr überrascht, dass der ehemalige Geschäftsführer von RTL, Helmut Thoma, frei plaudernd meinte, ich könnte in jeder Show mitmachen. Das kann man sich eben nicht vorstellen, weil diese Sendungen in keiner Weise zu vergleichen sind. Für mich gibt es da klare Grenzen.

Was, glauben Sie, steckt eigentlich hinter den hämischen Kommentaren wie „Hoppel-Heide“ oder „peinlicher Auftritt“?

Natürlich können die anderen Kandidaten, die deutlich jünger und sportlicher sind als ich, besser tanzen. Ich bin bis jetzt aber immer gewählt worden, weil die ZuschauerInnen das gerne wollten. Sie empfinden mein Tanzen also nicht als peinlich, sondern fühlen sich gut unterhalten. Darum geht es ja unter anderem. Es ist eine Unterhaltungsshow, an der nichts Unanständiges ist.

Wie erklären Sie sich, dass sich sogar Kollegen aus der Politik mit hämischen Bemerkungen über Sie äußern?

Kennen Sie die? Wissen Sie, wer das ist? Ich nicht.

Naja, Wolfgang Kubicki, den Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, kennt man schon.

Stimmt, aber Kubicki hat ja anständig reagiert.

Sie stimmen ihm zu, dass es peinlich wäre, wenn es nicht für einen guten Zweck wäre?

Nein, aber das ist ein Satz, mit dem muss man leben können. Aber alle anderen, die sich ja offensichtlich keine Mühe gemacht haben, das mal anzugucken, die kenne ich nicht mal.

Wieso treten die so nach?

Vermutlich liegen die Gründe noch in der Zeit, als ich Ministerpräsidentin war. Ich kann es mir auch nicht erklären.

Was sagen Sie zu den Vorwürfen, Ihnen ginge es nur um Eitelkeit, unbedingt im Fernsehen auftreten zu müssen?

Das ist doch Blödsinn. Ich muss da nicht auftreten.

Hätte man nicht mit den unangenehmen Begleiterscheinungen rechnen müssen, wenn man an einer Tanzshow teilnimmt?

Nein. Ich mache ja nicht mit, weil ich der Meinung bin, dass ich so eine grandiose Tänzerin bin, sondern wegen der Spende an Unicef. Das ist eigentlich die Sache wert. Aber jetzt wird der Blick nur darauf gelenkt, wie ich aussehe.

Spielt es dabei eine Rolle, dass Sie eine Frau sind?

Ich persönlich empfinde das als hoch frauenfeindlich, ja. Einem 62-jährigen Mann würde man keine Peinlichkeit unterstellen, wenn er in einer Tanzshow auftreten würde.

Ist es gerade deshalb wichtig, dass Sie mittanzen, obwohl sie nicht mehr 25 sind?

Wenn heute Frauen von 25 neben älteren tanzen, dann kommen eben die jungen besser dabei weg, das muss man akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass die älteren nicht mehr auf die Straße gehen dürfen.

Sie sind eine Art Role Model?

Die Leute sprechen mich häufig an, weil sie es toll finden. Viele Frauen sagen, sie würden auch gerne mal mit einem Profi tanzen gehen. Viele Männer tanzen ja im Gegensatz zu Frauen überhaupt nicht gerne. Vielleicht gibt die Show da Anreize, es auszuprobieren. Und das kann man unabhängig vom Alter machen.

Würden Sie für Unicef noch mal in einer Unterhaltungsshow auftreten?

Es ist natürlich wichtig, immer wieder auf die Arbeit des Kinderhilfswerks aufmerksam zu machen. An einer Show wie „Let’s Dance“ würde ich mich aber nicht mehr beteiligen. Wenn Medien derart bösartig reagieren, ist das einfach nicht akzeptabel.

Haben Sie schon mal daran gedacht, ein Buch über all diese Erfahrungen im Übergang von einem politischen Amt ins Alltagsleben zu schreiben?

Den Gefallen müsste ich der Zeitung mit den großen Buchstaben nur tun, dann hätte sie wieder was zu schreiben. Nein, wissen Sie, ich habe auch nichts Dramatisches zu erzählen, das die Welt unbedingt wissen müsste.