RUSSLAND: SCHWERER KAMPF GEGEN DIE AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT
: Das Totschlagen totschweigen

Sankt Petersburg ist nicht nur der Austragungsort des G-8-Gipfels der führenden Industrienationen der Welt im Juli. Die Stadt an der Newa hat sich auch als Metropole der Ausländerfeindlichkeit einen traurigen Ruf erworben. Fremdenhass gibt es auch in den anderen Industrienationen. Beim Umgang von Staat und Gesellschaft mit Xenophobie und Gewalt tut sich jedoch eine riesige Kluft zu den anderen auf. Russland mag ein Platz unter den Industrienationen gebühren, aber nicht unter den demokratischen Staaten.

Der Kreml kennt mehrere Methoden, der Gewalt und Ausländerfeindlichkeit zu begegnen. Gar nicht erst wahrnehmen ist die eine, Totschweigen eine andere. Infam wird die Abwehr, wenn die Gewalt mit Hinweisen auf vermeintliche Verbrechen gegen Russen in anderen Ländern relativiert wird. Dahinter blitzt die totalitäre Sozialisation derjenigen auf, die in Russland wieder das Sagen haben.

Sie tun alles, um nach außen ein unverfängliches Russlandbild zu bewahren, in dem Xenophobie angeblich keinen Platz hat. Dennoch entspricht der Hass auf den Fremden jener Kreml-Ideologie, die sich mehr und mehr auf die Stereotypen von „wir“ und „sie“ verengt – wie sie auch im Kalten Krieg üblich waren. Vor Jahren geschah dies hinter vorgehaltener Hand, heute ist es wieder recht offen. Das Freund-Feind-Schema hat die herrschende Clique in Moskau auch im Innern reaktiviert.

Das Ergebnis hat die institutionalisierte Öffentlichkeit demontiert. Die Medien sind gleichgeschaltet, politische Parteien spielen im Willensbildungsprozess keine Rolle. Zivilgesellschaftliche Organisationen wurden nach ihrer Haltung zur Macht in gut und böse eingeteilt. Nichtregierungsorganisationen müssen mit drakonischen Strafen rechnen, wenn sie sich nicht an Vorgaben von oben halten. Davon sind gerade Gruppen betroffen, die Aufklärung leisten und zu ethnischer Toleranz aufrufen. Es gibt keine Korrektive mehr. Mit dem Tschetschenienkrieg und dem Kampf gegen islamistischen Terror trat der Kreml eine Hasslawine los, die er nicht mehr aufhalten kann. Und es wohl nicht einmal will. KLAUS-HELGE DONATH