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Ein Abgesang auf den White Cube

ILLUSION Im Hamburger Kunsthaus stellt die internationale Gruppe The BeetoBee Net aus – in einem komplett verdunkelten Raum. Und schürt systematisch den Zweifel an der eigenen Wahrnehmung

Nägel imitieren pflanzliche Strukturen, und es gelingt ihnen überraschend gut

Bienen sind wichtig fürs Ökosystem. Bienen verbinden, befruchten, sind Boten, ohne die Blumen folgenlos verblühen würden. Man kann Bienen aber auch als Kuriere eines sozialen Netzwerks deuten. Ein solches bastelt seit 2003 die internationale Künstlergruppe The BeetoBee Net, die auf Initiative der Hamburgerin Birgit Wudtke und der Honkongerin Beatrix Pang entstand.

In Norwegen lernten sie sich kennen und wollten den Kontakt nach der Rückkehr in die Heimat weiterführen. Es entstand BeetoBee Net, dessen Protagonisten sowohl im Internet als auch in realen Räumen ausstellen. Derzeit bespielen sechs von ihnen das Hamburger Kunsthaus, und wer ein Konzept sucht, findet: eine Art Black Box – einen verdunkelten Ausstellungsraum, als Kontrapunkt zum klassischen White Cube gedacht.

Begrüßt wird man von einem Stück Tierfell, adrett ins weiße Passepartout gepresst. Wer will, assoziiert Wildheit und Anarchie von Kunst – und ist prompt auf das Klischee hereingefallen, mit dem Anneli Schütz spielt. Kunst, soll man denken, braucht eben Freiheit und keinen weißen Rahmen oder Raum drum herum.

Aber wird die Kunst in diesem finsteren Saal wirklich unberechenbar, uneinfangbar? Ja, das wird sie: indem sie sehr emanzipiert die Dunkelheit nutzt und es nicht nötig hat, grell und laut daherzukommen. Diese Arbeiten sind sehr subtil und spielen mit Nuancen, für die das Dunkel die Sinne schärft: Naho Kawabe etwa hat einen beweglichen Beamer gebaut. Wie ein Pendel scheint er eine schmuddelige Mauer abzutasten. Die aber pendelt auch – allerdings etwas langsamer. Eine winzige zeitliche Verschiebung, ein minimal verschiedener Rhythmus nur – und doch beunruhigt die Arbeit nachhaltig, bringt Rhythmus- und Zeitgefühl zum Wanken.

Eine gelungene Parabel auf die Unschärfe von Wahrnehmung – und ein schlauer Verweis auf Akane Kimbaras Video, das das Spiel mit der Täuschung lustvoll weitertreibt: Zunächst sieht man nur eine weiße Guckkastenbühne. Ein schwarzer Zeiger taucht auf, verschwindet wieder, surreal. Augen zeichnen sich auf die Wände, blinzeln, verschwinden. Und dann – rollt eine Frau die Papierbahnen, aus denen die Bühne bestand, einfach zusammen und legt sie mittig ins Bild. Aus die Illusion. Fortan glaubt man der Bühne, die danach erneut gezeigt wird, nichts mehr. Am wenigsten ihre Konsistenz.

Ein subtiles Spiel mit Vergänglichkeit, einerseits. Die totale Demontage der Autorität des elektronischen Bildes, andererseits. Das ist nicht neu. Aber die Unverfrorenheit, mit der die Kamera die Authentizität ihrer eigenen Bilder unterhöhlt, erfrischt.

Aber was heißt schon authentisch: Bei einer Skulptur kann man nie sicher sein, dass alles stimmt. Sicher, das Holzkästchen, das Lily Wittenburg baute, ist echt. Auch das Glasfenster, durch das man zwei Vasen sieht, existiert. Trotzdem gelingt es einem erst nach längerem Herumkriechen, die Position der zweiten – gespiegelten – Vase auszumachen.

Und als wollte sie das Thema der Augentäuschung, das diese Schau dominiert, ein bisschen dehnen, hat Anneli Schütz ein Objekt geschaffen, das vorgibt, ein Stein zu sein. In Wirklichkeit ist es ein mit Nägeln bedeckter Styroporklumpen, der aussieht wie ein pilzbewachsener Monolith. Nägel – ein Zivilisations-Requisit, imitieren pflanzliche Strukturen, und es gelingt ihnen gut. Das Resultat wirkt authentisch, fast charismatisch. So charismatisch wie die gesamte Schau, die mit der Magie des Dunkels und dem Zweifel an der eigenen Wahrnehmung spielt. In diesem Punkt ist sie herkömmlichen Ausstellungen im gnadenlos hellen White Cube haushoch überlegen. PETRA SCHELLEN

bis 25. 7., Kunsthaus Hamburg

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