Panikartige Flucht in Osttimor

Aus der Hauptstadt Dili fliehen Einwohner aus Angst vor marodierenden Ex-Soldaten

BERLIN taz ■ Zehntausende Einwohner sind gestern aus der Hauptstadt Osttimors geflohen. Der britische Sender BBC zitierte eine UN-Sprecherin in Dili, laut der bis zu 75 Prozent der 120.000 Einwohner die Stadt in Richtung umliegende Dörfer verlassen hätten. Ursache seien grassierende Gerüchte über mögliche neue Kämpfe zwischen entlassenen Soldaten und der Polizei.

In der vergangenen Woche wurden bei gewaltsamen Protesten bereits fünf Personen getötet. Exsoldaten drangen in Gebäude ein und randalierten, während die unerfahrene Polizei ebenfalls schnell auf Gewalt setzte. Es waren die schwersten Auseinandersetzungen seit 1999.

Nach einem Streik waren im März 600 Soldaten, rund 40 Prozent der gesamten Armee des jüngsten Staates der Welt, entlassen worden. Hintergrund der Unzufriedenheit sind Auseinandersetzungen über eine angeblich diskriminierende Beförderungspraxis. Viele der protestierenden Soldaten sind ehemalige Widerstandskämpfer gegen die bis 1999 anhaltende indonesische Besatzung, die von der Politik der 2002 unabhängig gewordenen Nation enttäuscht sind.

Agenturberichten zufolge waren die Dili umgebenden Straßen gestern mit Fahrzeugen verstopft, auf denen Bürger Besitzgüter in Sicherheit bringen wollten. Es blieb aber ruhig. Premierminister Mari Alkatiri und Präsident Xanana Gusmao forderten die Menschen zur Ruhe und zurRückkehr nach Dili auf.

Die Auseinandersetzungen wie die Macht der Gerüchte zeigen, wie labil die Situation in Osttimor ist. Dort sehen viele Menschen aufgrund der großen Armut und einer Arbeitslosenrate um 40 Prozent für sich wenige Perspektiven. SVEN HANSEN