„Ich weiß nicht, warum“

GESPRÄCH Die indische Journalistin Tongam Rina erholt sich in Hamburg von einem Mordanschlag

■ 34, Journalistin aus Nordost-Indien, ist Stipendiatin der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Foto: Lobsang Chombey

taz: Frau Rina, Indien gilt als demokratisches Land, die Pressefreiheit ist in der Verfassung festgeschrieben. Wie ist die Situation aus Ihrer Sicht?

Tongam Rina: Indien ist ein demokratisches Land, aber es hat zwei Seiten. Es passieren viele Dinge, die nicht öffentlich werden und die man erstmal nicht glauben würde. Die Redefreiheit ist offiziell garantiert, aber wenn man sich ihrer bedient, kann man Probleme kriegen. Es kommt darauf an, was für eine Regierung man im jeweiligen Bundesstaat hat. Die zentrale Regierung ist möglicherweise gar nicht involviert in das Problem, aber die Regierung des Bundesstaates ist es.

2012 wurde ein Mordanschlag auf Sie verübt: Im Eingangsbereich Ihrer Redaktion schoss ein junger Mann auf Sie.

Ich weiß immer noch nicht, warum es passiert ist. Die Leute, die den Fall untersucht haben, wollen ihre Informationen nicht preisgeben.

Worüber schreiben Sie als Journalistin?

Ich arbeite in Arunachal Pradesh, das ist ein kleiner Bundesstaat im Nordosten. Ich schreibe über Umweltprobleme, die durch große Staudämme in meinem Bundesstaat entstehen. Außerdem schreibe ich über die Nahrungsmittelversorgung der armen Leute in dem Bundesstaat. Es gibt ein sehr ambitioniertes Programm zur Versorgung der armen Menschen, aber die Hilfe kommt kaum bei den Leuten an: Das Geld verschwindet und die Nahrung wird auf dem Schwarzmarkt verkauft. Das dokumentiere ich. Das dritte Thema, über das ich viel schreibe, sind Frauenrechte.

Wissen Sie, wer versucht hat, Sie umzubringen?

Nein. Sie haben ein paar Leute verhaftet, aber ich weiß nicht, wer diese Leute sind.

Was tun Sie jetzt in Deutschland?

Ich habe ein Stipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte. Ich bin hier für zwölf Monate. Ich arbeite an Artikeln für meine Zeitung in Indien. Nicht so viel, wie ich gerne würde, aber immerhin.

Wollen Sie nach Ende des Stipendiums zurückgehen nach Indien?

Ja, ich werde im März nächsten Jahres zurückgehen und wieder als Journalistin arbeiten.

Die Schüsse des Attentäters trafen Sie im Rücken. Sind Sie noch in ärztlicher Behandlung?

Ja, ich habe immer noch Probleme.  INTERVIEW: KLI

Tongam Rina und Johannes von Dohnanyi im Gespräch über Pressefreiheit und Solidarität: 19 Uhr, Kultwerk West