WAS MACHT EIGENTLICH … DIE STAMMBAHN?
: Langsam schneller fahren

Das hat der Berliner S-Bahn gerade noch gefehlt. Ausgerechnet die eigene Vergangenheit knallt ihr jetzt eine vor den Kuhfänger. Und zwar gab es mal eine Zeit, da dauerte die Fahrt auf der Strecke Berlin–Potsdam eine Stunde. Gut, werden genervte S1-Pendler nun sagen, derzeit sind es sogar nur 50 Minuten, was in Berufsverkehrseinheiten gerechnet auf das Gleiche rauskommt.

Das Peinliche: Diese eine Stunde brauchte der Zug auf seiner allerersten Fahrt am 29. Oktober 1838. Macht ganze 10 Minuten Zeitersparnis in jetzt präzise 175 Jahren! Und das auf der legendären Stammbahnstrecke, der Urverbindung aller Berliner Netze!

Im Vergleich zu diesen 10 Minuten war jene glorreiche Jungfernfahrt der privat finanzierten Berlin-Potsdamer Eisenbahn, gezogen von den Dampfloks Pegasus und Adler, mit Tschingderassakapelle an Bord, ein echter Meilenstein: Bis dahin musste man nämlich drei Stunden per Postkutsche durch die Gegend holpern. König Friedrich Wilhelm III. hielt das mit der Bahn dennoch für modernen Schnickschnack, ganz im Tonfall heutiger Berlin-Snobs sagte er, er könne sich „keine große Seligkeit davon versprechen, ein paar Stunden früher von Berlin in Potsdam zu sein“.

Das S für „schnell“ galt eben mal buchstäblich, sogar 1933 noch, da zischte die Bahn von Zehlendorf nach Potsdam (liebe Pendler, jetzt bloß nicht weinen) in 9 statt wie heute 23 Minuten. Kein Wunder also, dass seit 1999 eine „Bürgerinitiative Stammbahn“ dafür kämpft, dass diese historische Strecke, die heute nur noch zwischen Griebnitzsee und Potsdam-Hauptbahnhof existiert, wieder komplettiert und in Betrieb genommen wird. Die Initiative wandert sogar regelmäßig den alten Bahnverlauf ab – zum Jubiläum wieder am kommenden Sonntag, los geht’s um 10 Uhr am Potsdamer Platz. Nur dass das Wandern zugegebenermaßen etwas länger dauert.

Da bleibt nur eins, streng gegen den Kommunalisierungstrend: re-privatisieren! Aber natürlich nur, wenn der Preis bei siebenheinalb Talern bleibt. Und bitte mit Orchester auf dem ersten Waggon. AHA