Der Präsident genehmigt sich ein Vierteljahr

HAITI Staatschef René Préval lässt die für November geplanten Wahlen verschieben. Begründung: die Lage nach dem Erdbeben. Kritiker sprechen von diktatorischen Bestrebungen. Proteste werden zerschlagen

SANTO DOMINGO taz | Mit Tränengas und Schüssen in die Luft hat die haitianische Polizei am Montagnachmittag eine Demonstration im Stadtzentrum von Port-au-Prince auseinandergetrieben. Etwa tausend Menschen protestierten gegen die Verlängerung der Amtszeit von Staatspräsident René Préval, der der Senat in letzter Lesung zuvor zugestimmt hatte. Auch in kleineren Städten wie Jacmel im Süden kam es zu Protesten. Préval hatte die Verlängerung seiner Amtszeit um drei Monate damit begründet, dass das Land nach dem schweren Erdbeben vom 12. Januar Kontinuität und Zeit brauche, um Wahlen für seine Nachfolge vorzubereiten.

Die Protestierer forderten den sofortigen Rücktritt des Staatschefs. „Anstatt sich um die Erdbebenopfer zu kümmern“, zitierte die haitianische Tageszeitung Le Nouvelliste eine Lehrerin am Rande der Demonstration, „arbeitet er daran, sich seine Macht zu sichern.“ Viele Teilnehmer trugen Plakate mit dem Bild des vor sechs Jahren ins Exil gegangenen Staatschefs Jean-Bertrand Aristide.

Die Wahlen waren bisher für November vorgesehen. Préval plant jetzt, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen erst Anfang des kommenden Jahres stattfinden zu lassen. „Das Beben hat die Planung über den Haufen geworfen“, sagte Préval und versicherte, dass er keinesfalls plane, über Mai 2011 hinaus im Amt zu bleiben.

Aus politischen Kreisen, auch von ehemaligen Mitstreitern Prévals, hagelt es Kritik an der Verschiebung. Er wolle ein diktatorisches Regime errichten, unterstellen Prévals Gegner. Auch der Chef der UN-Sicherheitstruppe, der Guatemalteke Edmond Mulet warnt vor einer Verschiebung der Wahlen. Dadurch könnte die Stabilität des Landes weiter geschwächt und die demokratische Entwicklung zurückgedreht werden.

HANS-ULRICH DILLMANN