IMMER DIESES THEATER MIT DEN WORTEN: MIXED-RACE, MISCHLING, HALF-CASTE, WIE SAGT MAN DENN NUN, WENN MAN SICH BESCHREIBEN WILL?
: Gott sei Dank bist du nicht weiß

JACINTA NANDI

Ich sitze mit meinem Kumpel Sebastian in einem Café. Er ist wie ich, mixed-race, nur deutsch. Und viel klüger. Er weiß zum Beispiel, was critical whiteness und intersectionality ist, und sagt auf Deutsch „People of Color“, nicht nur bei Twitter, sondern auch ganz normal im echten Leben.

„Schade, dass es kein gutes deutsches Wort für mixed-race gibt“, sage ich. „Nur Mischling.“ „Ja, das Wort kotzt an!“, sagt er. „Ein ordentliches Wort fehlt total“, sage ich. „Immer muss man sagen: ‚Ich bin halb Inderin, halb Engländerin‘, wenn man sich beschreiben möchte.“ „Warum musst du dich überhaupt beschreiben?“, fragt er. „Manchmal muss man sich beschreiben“, sage ich. „Und ich find’s verlogen, so zu tun, als ob ich zur Hälfte indisch wäre. Ich bin eine totale Engländerin.“

„Vielleicht können wir doch das Wort ‚Mischling‘ benutzen?“, frage ich. Er macht eine Grimasse. „Nee, Jacinta, lieber nicht. Ich weiß, dass sich das für eure englische Ohren nicht so schlimm anhört, aber das ist ein Nazi-Begriff. Man sagt das zu Hunden.“ „Ja“, sage ich. „Wie mongrel, das englische Wort dafür.“ „Über Rasse zu sprechen ist auf Deutsch überhaupt schwierig“, sagt Sebastian. „Deswegen wird über Nationalitäten gesprochen. Was auch schwierig ist.“

„Als Kind fand ich das Wort half-caste schön“, sage ich ihm. „Ich hasste es, mixed-race zu sagen. Aber ich liebte half-caste. Wegen dem extra e am Ende. Ich fand das glamourös.“ „Aber eigentlich ist das Wort rassistisch, oder?“ „Ja, total. Es war sogar verboten, das im Unterricht zu sagen. Mixed-race sollte man sagen, was nicht sehr romantisch klingt. Oder Anglo-Indian.“ Ich mache Kotz-Geräusche.

„Für deutsche Ohren klingt Anglo-Indian völlig okay“, sagt er. „Ich hasste das ‚glo‘ von Anglo“, sage ich. „Das klang für mich wie Glow-in the Dark, als ob meine Haut gelb wäre.“

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag David Denk Fernsehen

Montag Anja Maier Zumutung

Dienstag Deniz Yücel Besser

„Ich bin als Teenager immer im Schatten gelaufen“, sagt Sebastian. „So dass ich nicht zu dunkel wurde.“ „Du?“, sage ich schockiert. „Du wolltest weiß sein?“ „Ja!“ „Ich auch!“, rufe ich. Ich habe gedacht, dass nur so ein doofes Mädchen wie ich so dumm sein könnte. Es freut mich total, dass Sebastian genauso bescheuert gewesen ist. „Ich habe weißen Puder benutzt und dann ein porzellanfarbiges Make-up obendrauf. Und ich hatte so ’ne heimliche rassistische Tabelle im Kopf. Ich war total glücklich, wenn die Leute dachten, dass ich weiß bin. Und dann ein bisschen weniger, wenn ich für eine Spanierin, Italienerin, Türkin oder Griechin gehalten wurde. Wenn die Leute wussten, dass ich halb indisch war, war ich sehr traurig.“ „Das war das Schlimmste für dich, oder?“, fragt er. „Nein“, sage ich. „Das Schlimmste war, als ich mit einem schwarzen Jungen im Kino geknutscht habe. Er war so hübsch, wir waren siebzehn. Ist total rassistisch von mir, was ich gleich erzählen werde. Bist du bereit?“ „Immer bereit“, sagt Sebastian. „Er dachte, ich wäre ein Viertel Schwarz und drei Viertel Filipino.“ „Du warst traurig?“ „Ich habe den ganzen Weg nach Hause geweint!“ „Oh mein Gott“, sagt er. „Manchmal bist du so rassistisch, Jacinta. Gott sei Dank, ey, dass du nicht weiß bist.“ „Ja“, sage ich. „Gott sei Dank.“