Kosmetik? Natürlich!

Naturkosmetik boomt. Produkte mit natürlichen Bestandteilen sind angesagt. Doch ein Pflanzenextrakt macht noch kein Naturprodukt. Orientierung am Kosmetikregal bieten zwei Siegel

VON PIA M. SOMMER

Umfragen zufolge schätzt jede zweite Frau hierzulande natürliche Pflegeprodukte. Das schlägt sich in den Umsatzzahlen der Naturkosmetik-Branche nieder. Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Industrie- und Handelsunternehmen (BDIH) konnten sich Naturkosmetikhersteller im vergangenen Jahr über zweistellige Zuwachsraten bei Körperpflege und Kosmetik freuen. Branchenkenner schätzen den Marktanteil von Naturkosmetik mittlerweile auf über vier Prozent.

Die hohe Qualität von Naturkosmetik bestätigen zahlreiche Tests. Beispiel Haarfärbemittel: Die Zeitschrift Öko-Test beurteilte im März Naturhaarfarben mehrheitlich besser als chemische Mittel in einem vergleichbaren Test. Von 28 Farben erhielten 16 die Note „sehr gut“.

Beispiel Feuchtigkeitscremes: In der April-Ausgabe analysierte Öko-Test 30 Präparate. Vier von insgesamt sieben vergebenen Bestnoten gingen an Naturprodukte. Beispiel Tagescremes: Die Stiftung Warentest verlieh 2002 zwölf getesteten Produkten aus dem Naturkosmetik-Sortiment mehrheitlich ein „gut“. Nur vier Präparate erhielten „befriedigend“.

Beispiel Gesichtsmasken: Von 35 Masken bewertete Öko-Test sieben Produkte von Naturkosmetikherstellern mit „sehr gut“. Ein Präparat von The Body Shop war den Prüfern wegen enthaltener PEG/PEG-Derivate nur ein „befriedigend“ wert. Die Note „ungenügend“ sprachen die Tester für die untersuchte Gesichtsmaske des Herstellers Yves Rocher aus, da es das krebsverdächtige Anilin im Farbstoff und PEG/PEG-Derivate enthielt.

Auch bei den Naturhaarfarben erteilten die Analysten von Öko-Test drei Produkten ein „mangelhaft“, neun bewerteten sie sogar mit „ungenügend“, weil es sich nicht um reine Naturhaarfarben handelt. „Die „ungenügenden“ Marken Sanotint, Puravera und Henna Plus Long Lasting Colour sind klassische Oxidationshaarfarben – das heißt, sie bestehen aus zwei Komponenten, die miteinander reagieren und mit bedenklichen aromatischen Aminen färben“, heißt es in der März-Ausgabe der Zeitschrift. Diese Untersuchung zeigt einmal mehr: Aufschriften wie „Grün“ und „Bio“ bürgen nicht für „natürliche“ Qualität. Hinzu kommt, dass der Begriff „Naturkosmetik“ nicht geschützt ist.

Um sich von Trittbrettfahrern in der Kosmetikbranche abzugrenzen und mehr Transparenz zu schaffen, gründete der BDIH 1996 die Arbeitsgruppe Naturkosmetik, die natürliche Produkte zertifiziert. Etwa 50 Firmen haben sich bislang dem Siegel „Kontrollierte Naturkosmetik“ angeschlossen. Ein weiteres Label für Naturkosmetik vergeben die Neuform-Vertragswarenhersteller der Reformhäuser – das „Drei-Häuser-Logo“. Beide Prüfsiegel legen Mindeststandards für Naturkosmetik fest, deren Einhaltung unabhängige Institute kontrollieren.

Die Richtlinien regeln die Herstellung der Rohstoffe sowie die Qualität der Produkte. Sie legen fest, dass die pflanzlichen Rohstoffe möglichst aus kontrolliert biologischem Abbau oder aus kontrolliert biologischen Wildsammlungen stammen sollen. Zudem klären sie zum Beispiel den Einsatz von Konservierungsstoffen, Emulgatoren oder Farbstoffen. Neben einer umwelt- und ressourcenschonenden Produktion schreiben die Kriterien aber auch den sparsamen Einsatz von Verpackungsmaterialien vor. In der Frage von Tierversuchen orientieren sich die Siegel an den Kriterien der Tierschutzverbände. Beide Logos garantieren den Verzicht auf Erdölprodukte, Gentechnik und radioaktive Bestrahlung.

Aber es gibt auch unterschiedliche Bewertungen: Tierische Rohstoffe sind für Reformhaus-Hersteller tabu. BDIH-Produzenten verarbeiten keine lebenden Wirbeltiere. Das erlaubt ihnen, Cochinelle-Rotfarbstoffe aus Schildläusen und Seidenproteine aus Seidenraupen zu verwenden, merkt die Verbraucher Initiative an.

Bei Konservierungsstoffen akzeptiert die BDIH-Richtlinie neben natürlichen Stoffen auch „naturidentische“ Salicylsäure, Benzoesäure, Sorbinsäure und Bezylalkohol. Das Neuform-Siegel hingegen verbietet Salicylsäure, erlaubt dafür aber Phenoxyethanol, Paraben und Ameisensäure. Die Verwendung von künstlichen Duft- und Farbstoffen sowie PEG schließt das BDIH-Siegel aus, Neuform lässt einige Ausnahmen zu.

Die genauen Vergabekriterien finden Interessierte im Internet unter www.kontrollierte-naturkosmetik.de und www.neuform.de. Ein Glossar der Inhaltsstoffe in Kosmetik bietet Öko-Test unter http://www.oekotest.de/cgi/nm/nm.cgi?doc=med-kos