hört auf den Sound der Stadt

FATMA AYDEMIR

Julian Sartorius hat sich Großes vorgenommen. 2011 hat der Schweizer Schlagzeuger an jedem Tag einen neuen Beat kreiert und diesen auf seinem Blog veröffentlicht. Ohne Effekte und ohne Samples, es ging ihm nur um das rohe, rhythmische Trommeln auf den unterschiedlichsten Materialien und Flächen in der Stadt, wodurch teilweise elektronisch anmutende Klänge entstehen, ohne elektronische Hilfsmittel zu gebrauchen. Das Berner Label Everest Records veröffentlicht eine Zusammenstellung dieser Stücke nun als zwölfteilige Vinyl-LP „Beat Diary“. Im Monarch spielt Julian Sartorius am Donnerstag ein unverstärktes Solokonzert in intimer Atmosphäre, wo es um die reine Kraft des Drummings gehen soll (Skalitzer Str. 134, 21 Uhr). Hinterher gibt es extrem Tanzbares, nämlich Breakbeats von DJ Slingshot und Soul- und Reggae-Sounds von DJ Fett.

Festivals, die von großen türkischen Anisschnapsherstellern gesponsert werden, sind grundsätzlich nicht besonders sympathisch. Bedenkt man aber die konservativen Entwicklungen in der Türkei, nämlich das eingeschränkte Alkoholverbot und die gesellschaftliche Stigmatisierung von Alkoholkonsum allgemein, die vor allem vom Premierminister himself befeuert wird, so ist es zumindest verständlich, dass sich türkische Hersteller vermehrt auf den internationalen Markt konzentrieren müssen. So ist es auch ein Stück weit vertretbar, das „Spirit of Istanbul“-Festival wird in der Arena zu besuchen, wo am Samstagabend Baba Zula spielen werden, einer der derzeit interessantesten türkischen Musikacts (Eichenstraße 4, 17–24 Uhr, Eintrit frei). Die Istanbuler Alternative-Band genießt es außerordentlich, mit orientalistischen Klischees zu spielen und gleichzeitig musikalische Traditionen ernst zu nehmen und sie in neuen Kontexten wiederzubeleben. So treffen türkische Volksmusik und anatolischer Rock auf Psychedelic, Dub und Electronica. Poetisches verschmilzt mit Sozialkritik und großartiger Satire. Das letzte Album, „Gecekondu“, ist mittlerweile zwar schon drei Jahre alt, doch tourt die Band unermüdlich durch die Welt und erfindet sich bei den ekstatischen Shows samt Bauchtanz und Improvisationen immer wieder neu. Nach Baba Zula gibt es ein Set von der Berliner DJane Ipek.

Wer es jedoch eher funky und hypersexualisiert mag, der sollte an selbigem Samstag auf jeden Fall in den Gretchen-Club gehen (Obentrautstraße 19–21, 20 Uhr, 20 €). Denn dort spielen !!! (Chk Chk Chk), die im April ihr großartiges fünftes Album, „Tr!!!ller“, veröffentlicht haben und deren Frontmann Nic Offer kein Konzert beenden kann, ohne sich bis auf die Unterhose auszuziehen und Frauen und Männer im Publikum gleichermaßen anzuflirten.