DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Verhängnisvolles Verhältnis

WAS SAGT UNS DAS? Wer sich mit einem halbseidenen Kapitän einlässt, kann in Erklärungsnot geraten – vor allem dann, wenn das Schiff sinkt. Im Gegensatz zu Capitano Schettino darf Domnica Cemortan aber auf Vergessen hoffen

Es war kein schönes Schauspiel, das sich am Dienstag dieser Woche im südtoskanischen Städtchen Grosseto abspielte. Eine blonde Frau sitzt auf der Bühne eines zum Gericht umfunktionierten Theaters. Die Vorstellung wird live übertragen. Und Domnica Cemortan (26) ringt mit sich. Die Tänzerin aus Moldawien möchte die Frage nicht beantworten, ob sie mit Kapitän Francesco Schettino eine „relazione sentimentale“, ein Verhältnis, am Laufen hatte.

Schettino hatte am Abend des 13. Januar 2013 das Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ vor der Insel Giglio auf Grund laufen lassen. 32 Menschen kamen ums Leben. Nach italienischem Recht müsse sie aussagen, erklärt ihr der Richter Giovanni Pulatti. Denn wenn es eine Beziehung gegeben habe, sei sie befangen. Im Ton ist er mal gütig, mal streng, dann zunehmend paternalistisch herablassend.

Nun folgen zehn Minuten, in denen Cemortan sich wehrt, weil dann alles in den Zeitungen landen würde – was dann eben genau in den Zeitungen landet: Dass sie die „Favoritin“ von Schettino gewesen sei und kein Ticket gebraucht habe, um an Bord zu gehen, dass sie mit dem Kapitän ein Dessert zu sich genommen und er gescherzt habe, das Schiff könne ja langsamer fahren, bevor die Insel Giglio außer Sicht käme; und dass sie mit auf der Brücke gewesen sei bei der verhängnisvollen „Verbeugung“ vor der Insel.

Aus der „relazione sentimentale“ wird die von Gelächter begeleitete Formulierung „storia d’amore“. Cemortan knickt ein, der Wahrheitsfindung ist Genüge getan. Draußen sagt sie in die Kameras, sie sei gerade ein zweites Mal gestorben. Nun wolle sie ein neues Leben beginnen. Sie kann das. AW