Richtig schützen vor der Kamera

PRIVATSPHÄRE Nicht alle wollen sich weltweiter Beobachtung durch Google Street View aussetzen. Das sieht der Konzern ein und erlaubt Widerspruch gegen die Veröffentlichung

VON JULIA FRITZSCHE

Google Street View ist an seinem Ziel, von allen öffentlichen Straßen in Deutschland Aufnahmen zu machen, so gut wie angekommen. Jetzt werden „nur noch Lücken gefüllt“, erklärt die Pressesprecherin von Google Deutschland, Lena Wagner. Alle 16 Bundesländer, alle Landkreise und alle kreisfreien Städte waren dabei. Gärten, Häuser, Mietwohnungen – alles ist digitalisiert und soll bis Ende des Jahres veröffentlicht werden. Wer das nicht will, kann bei Google Widerspruch einlegen. Wie das geht? Eine Gebrauchsanleitung.

1. Wie akut ist das Problem? Wer sich beeilt und bis einen Monat vor der Veröffentlichung widerspricht, dessen Anliegen – so Google – wird noch vor der Veröffentlichung bearbeitet. Absurderweise ist nicht klar, wann genau die Veröffentlichung sein soll. Auf Anfrage heißt es bei der Pressestelle von Google nur: „noch im Jahr 2010“. Wer also nicht abwarten will, bis Google sich zu einer Bekanntgabe bemüht, und womöglich riskiert, das Zeitfenster zu verpassen, sollte jetzt in sich hineinhorchen. Kommt man dann zum Ergebnis, dass man nicht seinen teuren Gartenliegestuhl oder die reizende Balkonpflanze kartografisch verortet haben will, auf zum Widerspruch.

2. Wie sieht so ein Widerspruch aus?

Alle, die ein Grundstück besitzen, ein Haus oder eine Mietwohnung bewohnen, können zum Beispiel folgenden Text an Google schicken. „Ich widerspreche der Speicherung und Veröffentlichung von Abbildungen des von mir bewohnten Grundstücks oder Gebäudes oder der Wohnung mit der folgenden Adresse und Liegenschaftsnummer.“ Da die Identifizierung vor allem von Gebäuden ziemlich schwer ist und Google keine automatische Hausnummernerkennung hat, sollte man das Gebäude zusätzlich möglichst gut beschreiben, zum Beispiel mit der Farbe, der Anzahl der Balkons, besonders markanten Gebäuden in der Umgebung oder anderen Auffälligkeiten. Darunter kommt noch der Satz: „Ich bitte um Eingangsbestätigung und Berücksichtigung meines Widerspruchs und widerspreche einer Verwertung dieser Daten zu anderen Zwecken als dem Widerspruch.“

Wer das nicht selbst formulieren möchte, kann auch ein Formular auf der Homepage des Verbraucherschutzministeriums (www.bmelv.de) herunterladen.

3. An wen schick ich das?

Das Ganze geht dann entweder per Mail an streetview-deutschland@google.com oder per Post an Google Germany GmbH, betr. Street View, ABC-Straße 19, 20354 Hamburg.

4. Was passiert nach dem Widerspruch?

Wer elektronisch vorgeht, ist etwas im Vorteil, weil er eine sofortige automatisierte Antwort erhält. Die besagt zwar noch nicht, dass die Daten schon gelöscht sind, enthält aber eine Versicherung, dass Google vor der Veröffentlichung der Daten nochmals auf einen zukommt, damit man das entsprechende Objekt eindeutig identifiziert. Dahinter steckt das Problem, dass Google noch keine Methode entwickelt hat, die Objekte zweifelsfrei zu identifizieren. Deswegen wird die Veröffentlichung in Deutschland momentan immer weiter hinausgeschoben.

5. Müssen jetzt alle 82 Millionen BewohnerInnen Deutschlands einzeln klagen?

Nein. Denn im Gegensatz zu den anderen 19 Ländern, in denen es Google Street View schon gibt, sind in Deutschland auch Sammelwidersprüche möglich. Laut Google kann eine Gemeinde zwar nur dann für ihre Bürger Widerspruch einlegen, wenn sie „konkret von allen Bürgern beauftragt“ wurde. Nach Ansicht des Verbraucherschutzministeriums reiche dazu aber eine Unterschriftenliste mit Namen, Adressen und – ebenfalls – der Beschreibung der Gebäude.

6. Bin ich ein Don Quijote gegen Windmühlen, wenn ich Widerspruch einlege?

Nein. Als verantwortungsvolle Gemeinde oder einzelne/r BürgerIn sind Sie nicht allein. Aus Kreisen des Verbraucherschutzministeriums heißt es, es gebe geschätzt bereits eine fünfstellige Zahl von Widersprüchen. Ministerin Ilse Aigner ruft bereits explizit die BürgerInnen zum Widerspruch auf und stellt die genannten Musterbriefe zur Verfügung. Und die Kanzlerin videobloggt sogar darüber und weist auf den Musterbrief des Ministeriums hin. „Wenn Sie’s wollen, nutzen Sie dieses Angebot der Bundesregierung“, sagt die Kanzlerin. Die liest den Aufruf zwar bedröpst von irgendeinem Teleprompter ab. Aber allein ist man mittlerweile nicht mehr, wenn man Google widerspricht.