Arglos im Ausland

Reisen, staunen, Platten auflegen: Hans Nieswandt las aus seinem Buch „Disko Ramallah“ im Grünen Salon vor

Es muss traumhaft sein, als DJ in fremden Ländern fremde Menschen zu beglücken, das Erlebte niederzuschreiben und mit dem Niedergeschriebenen abermals auf Reise zu gehen. Auf Lesereise. Hans Nieswandt führt solch ein beneidenswertes Leben. Am Sonntagmittag machte der bekannte House-Musik-Fan aus Köln Station in Berlin. Im Gepäck: „Disko Ramallah“, sein neues Buch, in dem es nur am Rande ums Plattenauflegen geht. Dafür umso mehr um das, was rechts und links davon passieren kann – zum Beispiel während Einladungen in den Nahen Osten.

Nieswandts Publikum im Grünen Salon ist gemischt. Junge Familien und nicht ganz ausgeschlafene Protagonisten aus dem Nachtleben. Zu seiner Seite, am Konzertflügel: sein alter Whirlpool-Productions-Kollege Eric D. Clark. Der hatte sich angeboten, die Lesung musikalisch zu untermalen. Was zu einer Matinée ja ausgezeichnet passt. Bald zeigte sich allerdings, dass Clark seinen ganz eigenen Film vertonte: Zu den von Nieswandt wunderbar einlullend vorgetragenen Ausflügen in die Zusammenhänge zwischen DJ-Kultur und Nahost-Konflikt („Partytime in Palästina“) spielte der Amerikaner Dinge, die klangen wie das Seufzen einer Filmdiva. Der Autor warf irritierte Blicke Richtung Flügel, worauf Clark nur schief grinste: „I don't understand the book!“ Zu dumm aber auch.

War die Pianospur einmal ausgeblendet, konnte man feststellen, wie raffiniert es Nieswandt gelingt, en passant Alltäglich-Absurdes mit Weltpolitischem zu verbinden, etwa wenn er – auf Goethe-Institut-Mission – sein Set in Bethlehem unbedacht mit einem Track von Adolf Noise eröffnet. In Momenten wie diesen wurde deutlich: Man muss sich den Reisenden Nieswandt als argloses Gemüt vorstellen, das in der Fremde mit weit aufgerissenen Augen in die surrealsten Situationen schliddert.

Mark Twain, Nieswandts Vorbild als Meister des bewusst naiv gefärbten Reiseberichts („Die Arglosen im Ausland“), wäre stolz gewesen. Vermutlich auch auf die Episode aus Beirut: ein Schickimicki-Club, dessen Wände von Maschinengewehrfeuer „penibelst perforiert“ sind, dazu eine fabelhaft aussehende, unverschleierte Dame. Sie schließt den DJ aus „Mercedes fucking Benz-o!“-Land prompt ins Herz und nötigt ihn zu Alkohol, bis auf den Tischen getanzt wird und sich herausstellt, dass sie eine echte saudische Prinzessin ist. Mit dieser nicht ganz ohne Stolz vorgetragenen Anekdote fand die Lesung im Grünen Salon ein märchenhaftes Ende. JAN KEDVES