Städter müllen die Welt zu

RESSOURCEN Der Globus erstickt in immer mehr Abfall. Wissenschaftler halten das Problem für weit existenz- bedrohender als Treibhausgase

Das Aufkommen in Afrika ist entscheidend für die weltweite Müll-Erzeugung

VON KAI SCHÖNEBERG

BERLIN taz | Eine 5.000 Kilometer lange Straße voll mit Müllautos: drin der Abfall, den allein die Städter der Welt im Jahr 2025 produzieren – täglich. Noch schlimmer: Der Höhepunkt der Müllflut, waste peak genannt, wird möglicherweise nicht mehr in diesem Jahrhundert erreicht werden. Diese Entwicklung hält ein Forscherteam um den kanadischen Energieexperten Daniel Hoornweg für weit existenzbedrohender als andere Umweltsünden, Treibhausgase eingeschlossen.

In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Nature schätzt Hoornweg, dass die Weltbevölkerung im Jahr 2010 täglich rund 3,5 Millionen Tonnen Müll produzierte. Wenn die Menschen vor allem in rasant wachsenden Städten der Schwellenländer weiter ihre Ressourcen so verschwenden wie jetzt, werden es im Jahr 2100 täglich mehr als 11 Millionen Tonnen feste Abfälle sein – etwa dreimal so viel.

Der Aufschwung vieler sich entwickelnder Länder hat auch Schattenseiten: Hier kaufen immer mehr Menschen immer mehr industriell verpackte Produkte, vor allem in den Städten. Deshalb landen auf den Müllhalden etwa von Schanghai, Rio de Janeiro oder Mexiko-Stadt derzeit bereits mehr als 10.000 Tonnen Abfälle – täglich. Die Städte wachsen rasant, ihre Müllberge auch. Zum Vergleich: In Berlin mit seinen knapp 3,5 Millionen Einwohnern fallen derzeit täglich etwa 3.800 Tonnen Abfall an.

Schon jetzt sind die Auswirkungen auf den Planeten desaströs. Dies zeigen etwa die riesigen Müllstrudel in den Ozeanen, warnen die Forscher. Eine Trendwende könnten geringeres Bevölkerungswachstum, besseres Ressourcenmanagement oder auch leichtere Verpackungen bringen, glaubt Hoornweg: „Der Gewinn für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft wäre enorm.“

Derzeit produzieren die Industrieländer in Europa und Nordamerika den meisten Müll. Hier erwarten die Experten den Höchststand der täglichen Müllmenge um das Jahr 2050. Dann wächst die Bevölkerung nicht mehr so schnell, technische Lösungen führen zu weniger Abfall. Die Stadt San Francisco in Kalifornien hat sich so das Ziel gesetzt, bis 2020 den Abfall auf null zu reduzieren. Derzeit werden hier bereits 55 Prozent aller Abfälle recycelt oder wiederverwendet.

Generell ist Müll ein Problem urbaner Regionen. Ein Städter verursacht bis zu viermal so viel Abfall wie ein Landbewohner – und die Verstädterung nimmt derzeit weltweit zu. Besonders stark wächst das Müllaufkommen immer dort, wo das Wirtschaftswachstum hoch ist – derzeit etwa in Ostasien, vor allem in China. Für afrikanische Staaten südlich der Sahara wird diese Entwicklung etwa für 2050 erwartet. Das Aufkommen in Afrika sei entscheidend für die weltweite Müllerzeugung und für peak waste, glaubt Hoornweg.

Japan könnte als Vorbild für den Umgang mit Müll dienen, schreiben die Autoren. Der Durchschnittsjapaner verursacht ein Drittel weniger Müll als der Normalamerikaner – bei ähnlich hohem Bruttoinlandsprodukt. Hoornweg führt das auf kulturelle Normen, aber auch eine dichtere Bevölkerung in den Städten und hohe Preise für Importgüter zurück. (mit dpa)