Einfach mal abschalten!

Forscher entdecken den Schalter im Gehirn, mit dem der Kopf auf Durchzug gestellt wird

Immer wieder interessant: Was Forscher so alles erforschen, denn sie erforschen berufsbedingt viel, sie forschen, was das Zeug hält, und am Ende, nach langer Forschung, haben sie immer wieder ein Forschungsergebnis, das die Menschheit wie von den Socken zur Kenntnis nimmt. Jetzt haben Kopf-Forscher, Neurologen, beobachtet, dass der Mensch seinen Kopf auf Durchzug schalten kann. Riesige Erkenntnis!

Das Gehirn soll sogar in der Lage sein, das Ich auszuknipsen. Diese Ich-Abschaltung funktioniert in starken Konzentrationsphasen, in denen man nicht nur alles um sich herum vergisst, sondern auch sich selbst, und sie funktioniert in Gefahrensituationen. Zum Beispiel, wenn man in Köln um die Straßenecke biegt und plötzlich von einem mürrischen, wütenden, ja geradezu aufgebrachten und offenbar äußerst schlecht gelaunten Löwenrudel angegriffen wird, während im Hintergrund der Dom wie eine Rakete in den Himmel zischt und obendrein sich noch das Handy mit der Melodie „Yes, Sir, I can Boogie“ meldet – in solch einer Situation denkt und grübelt der Mensch nicht lange herum, wer er sei, woher er komme und was er gerade fühle, denn das Gehirn hat den Schalter umgelegt und damit das Ich abgeschaltet.

Das israelische Forscherteam hat diesen Schalter im oberen Frontallappen lokalisiert, also praktisch innendrin. Wie schön wäre es, wenn der Schalter außen wäre und wenn jeder Mensch ihn bedienen könnte. Geht einem jemand auf die Nerven – einfach rübergehen und – klack! – sein Ich abschalten. Wird ein Politiker Minister, muss er öffentlich sein Ich herunterdimmen, und Egoismus, Korruption, Selbstdarstellung wären kein Problem mehr. Vielleicht kann ein kleines Kontrolllämpchen blinken, wenn er es heimlich wieder anschaltet.

Das Einsatzgebiet des Schalters wäre ein unermesslich weites Feld. Jedem fallen mindestens ein Dutzend Typen ein, bei denen der Schalter für immer blockiert sein müsste, zuverlässiger als mit einer Kindersicherung. Man nehme die notorische Schwiegermutter, man nehme beispielsweise den Stoiber, man nehme, ganz nach Gusto, Hella von Sinnen, oder man nehme Oliver Kahn – aber der hat ja vorbildlich sein Ich vor kurzem sogar selbst abgeschaltet.

Man nehme aber auch sich selbst nicht aus: Eine Gehaltskürzung steht ins Haus? Freundlich lächeln und das Ich auf Stand-by schalten. Das Auto zu Schrott gefahren, Zahnschmerzen, der Nachbar ein Geigenlehrer, die Steuerprüfung vom Finanzamt hat sich angemeldet, und die beste Freundin betrügt einen mit dem besten Freund? Na und! Ein Knopfdruck genügt, und die Welt ist problemfrei.

Der kleine Haken bei der Sache ist, dass viele Menschen gar kein Ich mehr haben, das sich abschalten ließe. Die gleiche Kledage, die gleiche Musik, die gleichen Filme, die gleichen Witze, der gleiche Fraß. Man kann längst aufs Ich verzichten. Die Kanzlerin etwa – hat die ein Ich? Oder ist das seit Jahren stromsparend aus? Einer wie Johannes B. Kerner. Ist das noch Ich oder schon ein Chip?

Wir alle kennen das Problem: Wenn wir vom Friseur kommen, wenn wir Fotos von uns betrachten, wenn wir hören, was hinter unserem Rücken geredet wird – das bin ich nicht, das muss ein Missverständnis sein, da ist kein Ich, nirgends. Alles fühlt sich so „abgeschaltet“ an. RAYK WIELAND