Fußball und Langsamkeit

TAZ.DE Zur Fußball-WM probiert taz.de ein neues journalistisches Format aus. Mit Foto/Video-Reportagen aus Südafrika werden Spenden für ein Trinkwasserprojekt gesammelt

VON CARL ZIEGNER
UND FRAUKE BÖGER

Proteste in Griechenland, Aschewolke über Island, die Meisterfeier der Bayern in München – auf allen Kanälen und in allen Medien flimmern Filme dazu über die Bildschirme. Auch im Internet bieten die meisten Nachrichtenportale inzwischen Videos zu aktuellen Themen an. Videos sind Trend und ein Versuch, das Medium Fernsehen der Onlinewelt anzupassen. Die Beiträge sind von Nachrichtenagenturen geschnitten und kommentiert. Keiner darf länger als fünf Minuten sein. Denn das Internet ist schnell und der User sprunghaft.

Doch ist die schnelle Video-Botschaft das Maß aller Dinge? Die New York Times geht gerade einen anderen Weg. Mit ihrem Online-Projekt „One in 8 Million“ beweist sie, dass auch das Kontemplative im Internet erfolgreich sein kann. Bei „One in 8 Million“ erzählen 54 Menschen aus New York in je drei Minuten eine besondere Geschichte aus ihrem Leben. Ein Irak-Veteran berichtet über seine Probleme, sich im Alltag in den USA wieder zurecht zu finden, eine Pathologin von ihrer Arbeit an toten Körpern und eine junge Frau über ihre Leidenschaft für Baseball. Dazu werden in einer Dia-Show Schwarzweißbilder von ihnen eingeblendet. Die Fragmente aus ihren Leben verschmelzen zu einem Ganzen. Es ist langsam und voyeuristisch. Und spannend.

Soccer for Life

Das Experiment hat Nachfolger gefunden. Unter dem Label „2470media“ haben sich junge FotografInnen zusammengeschlossen, um ein gemeinsames Format aus Fotos und Videos zu entwickeln. Unter anderem ist daraus die Multimedia-Reportagen der „Soccer for Life“-Initiative entstanden. Menschen aus Südafrika erzählen vor der Weltmeisterschaft in wenigen Minuten, was sie mit Fußball verbindet. Dabei wechseln sich Standbilder mit kurzen Videosequenzen ab.

Die „Soccer for Life“-Initiative ist eine Aktion von „2470media“, dem Fußballmagazin 11Freunde, der NGO „Viva con Agua de Sankt Pauli“ und taz-Online. Die Reportagen, die jede Woche bis zur WM wechseln und auf der taz-Homepage veröffentlicht werden, erzählen die Geschichten von SüdafrikanerInnen, etwa dem Musiker Pedro Espi-Sanchez oder dem Taxiunternehmer Siyabonga Pawoma. Espi-Sanchez will sich zur Fußballweltmeisterschaft in seinem Land einen Traum erfüllen: Er will ein Vuvuzela-Orchester auf die Beine stellen. Zusammen mit Teenagern aus dem Nyanga-Township in Kapstadt probt er fast jeden Tag, wie man dieses traditionelle afrikanische Horn richtig bläst. „Das Problem ist, dass die Vuvuzela nur eine Note spielt“, erzählt er. Doch die Menschen singen und tanzen im Fußballstadion trotzdem dazu.

Der andere Südafrikaner ist der Taxi-Unternehmer Siyabonga Pawoma, der täglich unzählige Leute zwischen Kapstadt und dem armen Vorort Langa transportiert. Neben der Arbeit trainiert er seine Söhne und deren Freunde im Fußball. Mindestens einer seiner Jungs soll es einmal in die Nationalmannschaft Bafana Bafana schaffen.

Die Reportagenserie ist zugleich ein Spendenaufruf der Initiative „Viva con Agua de Sankt Pauli“, die Trinkwasseranlagen in Afrika, Lateinamerika und Zentralasien baut. Der ehemalige Profifußballer Benjamin Adrion hat sie gegründet – und wurde dafür vor vier Jahren von der taz Panter Stiftung zum „Helden des Alltags“ gekürt. 2009 bekam er das Bundesverdienstkreuz. Über „Soccer for Life“ sollen Spenden für eine Trinkwasseranlage in Kenia gesammelt werden.

■ Alle Foto-/Video-Reportagen auf www.taz.de