DIE UNION ÜBERTREIBT BEIM ANTIDISKRIMINIERUNGSGESETZ
: Endlich ein Grund für Bauchschmerzen

Es ist zum Steinerweichen. Was um Himmels Willen hat die Bundesregierung bloß angerichtet, dass so viele Provinzpolitiker der Union auf einmal unter Bauchweh leiden? Schon am Montag im Parteivorstand gaben einige akutes „Unwohlsein“ bekannt – und es wird täglich schlimmer. Nach dem Niedersachsen Christian Wulff beklagt sich der Justizminister von Sachsen: Die Kröten, die von der großen Koalition aus Berlin geliefert würden, seien schwer verdaulich. Oh je. Vielleicht sollte man den Ärmsten eine Runde „Rennie räumt den Magen auf“ spendieren. Doch Gemach. Bei genauerer, ehrlicher Betrachtung handelt es sich um politische Hypochondrie. Da helfen keine Pillen.

Der Anlass für die theatralischen Schmerzensrufe ist eine Bagatelle. Mit dem Antidiskriminierungsgesetz, das die Union angeblich kaum herunterwürgen kann, erfüllt die Regierung keineswegs rot-grüne Utopien, sondern ihre Pflicht. Wenn sie die entsprechenden EU-Richtlinien zum Schutz von Minderheiten nicht endlich umsetzt, werden Strafzahlungen an Brüssel fällig. Es ist auch nicht so, dass die Union bei den Verhandlungen leer ausgegangen wäre. Die Aufnahme der sexuellen Orientierung als Diskriminierungsmerkmal ist eine Selbstverständlichkeit. Hat nicht die Union gerade erst von Ausländern verlangt, Schwulen gegenüber tolerant zu sein? Trotzdem bekam die CSU dafür mehr Geld für ihre Bauern – und die Kirchen ein Zugeständnis: Ihre Einrichtungen müssen auch in Zukunft keine Ungläubigen einstellen.

All das wissen die eingebildeten Kranken der Union, ihr Wehgeschrei dient nur einem Zweck: der eigenen Profilierung. Für Wulff etwa interessierte sich trotz zwei Buchvorstellungen niemand – bis er über die „Kröte“ Antidiskriminierung klagte. Eine andere fiel ihm offenbar nicht ein. Kein Wunder: Viele Kröten mutet die SPD der Union nicht zu. Der Kündigungsschutz wird stärker gelockert als im konservativen Frankreich, der SPD-Finanzminister will die Unternehmensteuern senken und die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger kürzen. Was bleibt der Union da übrig, als über Phantomschmerzen zu klagen? LUKAS WALLRAFF