Ahmadinedschad wartet auf eine Antwort

Der iranische Präsident macht in seinem Brief an Bush keine Lösungsvorschläge im Atomstreit. Der Sicherheitsrat einigt sich weiterhin nicht auf eine Resolution. Bundesaußenminister Steinmeier: Das kann noch zwei Wochen dauern

BERLIN taz ■ Die Außenminister der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschlands haben sich bislang nicht über eine Resolution zum Atomstreit mit dem Iran geeinigt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte gestern in New York, er gehe davon aus, dass es noch vierzehn Tage dauern könne, bis eine Lösung gefunden werde. Die Beratungen sollten gestern fortgesetzt werden. Ein Brief des iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad an US-Präsident George W. Bush spielte dabei angeblich keine Rolle.

Irans Regierungssprecher Gholamhussein Elham bezeichnete die Information über den Brief als die „zweite gute Nachricht“, die der Staatspräsident nach der Bekanntgabe der geglückten Urananreicherung seinem Volk mitgeteilt habe. Zum Inhalt wollte er sich nicht äußern. „Das ist kein offener Brief“, sagte er.

Das sechzehnseitige Schreiben lag gestern der Nachrichtenagentur Reuters vor. Demnach übt Ahmadinedschad scharfe Kritik an die Außenpolitik der USA. Washington habe die Welt belogen, um den Krieg gegen den Irak zu legitimieren. „Ich habe keine Zweifel, dass Lügen in jeder Kultur verabscheuungswürdig sind, und dass Sie nicht gerne belogen werden“, schreibt er. Der Krieg habe Milliarden Dollar gekostet und zehntausende US-Soldaten in Gefahr gebracht, deren „Hände mit dem Blut von anderen befleckt sind“. Ahmadinedschad zieht auch die Informationen über die Terroranschläge vom 11. September in Zweifel und schreibt: „Warum sind die verschiedenen Aspekte der Angriffe geheim gehalten worden? Warum erfahren wir nicht, wer in seiner Zuständigkeit versagt hat?“

Zum aktuellen Konflikt um das iranische Atomprogramm begnügt sich Ahmadinedschad mit dem Hinweis, dass wissenschaftliche Forschung „eines der Grundrechte jeden Staates“ sei.

Die US-Regierung bezeichnete den Brief als unbedeutend. „Nichts in dem Brief geht auf die Probleme zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft ein“, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats in Washington. Das Schreiben ändere nichts an der Position der USA. Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice wies den Brief als nutzlos zurück. Er enthalte keine neuen Lösungsansätze. Dort seien lediglich Positionen zur iranischen Geschichte, Philosophie und Religion dargelegt. Ahmadinedschad habe wohl die Absicht verfolgt, die internationale Gemeinschaft durcheinander zu bringen.

Mit dieser Feststellung hat die US-Außenministerin nicht ganz Unrecht. Wieder mal sorgte Irans Staatspräsident international für Schlagzeilen und nicht nur dies. Er konnte der Frage Nachdruck verleihen, was die USA daran hindert, mit dem Iran direkt zu verhandeln, wenn es ihnen tatsächlich um die Lösung des Atomproblems geht. Der Brief ist ein kluger Schachzug, der die USA in Zugzwang bringt und Ahmadinedschad die Möglichkeit verleiht, die Rolle eines Unschuldslamms zu spielen. Nun wartet er auf eine Reaktion aus Washington. BAHMAN NIRUMAND

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