Südafrikas ANC penetrieren – mit Kondom

Nach seinem Freispruch im Vergewaltigungsprozess will Südafrikas Exvizepräsident Jacob Zuma Staatschef Mbeki beerben. Sein erster Schritt im Machtkampf: eine Entschuldigung für sein Sexualverhalten. So funktioniert Südafrikas Politik heute

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Jacob Zuma darf wieder reden – als Vizepräsident von Südafrikas Regierungspartei. Seit der Anklage wegen Vergewaltigung Ende 2005 war der bereits als Vizepräsident des Landes entlassene Politiker vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC) zum Schweigen beordert gewesen. Nach dem gestrigen Freispruch ist das alles vorbei. Aber noch im Siegestaumel entschwand Zuma am Montagnachmittag nach dem Freispruch durch den Hinterausgang des Gerichts in der Johannesburger Innenstadt – abgeschirmt vom tobenden Mob seiner Anhänger, die die Straßen lahm legten, tanzten und pfiffen und den Namen ihres Helden, den sie ab 2009 als Präsident Südafrikas sehen wollen, sogar von den Dächern der Hochhäuser schrien.

Im benachbarten Park „Library Gardens“ nutzte Zuma sofort die Gelegenheit, Schelte an die Medien zu verteilen, die ihn angeblich als Vergewaltiger vorverurteilt hatten. Und die zweite Chance erhielt er am gestrigen Morgen, als eine Radiostation ihm anbot, sich Fragen und Antworten zu stellen. Zuma griff zu, mit der unverkennbaren Taktik, die Wogen glätten zu wollen. Er hat zwar den Fall gewonnen, doch wer im politischen Kampf siegen will, kann nicht ohne Kondom mit einer aidsinfizierten Person schlafen, wie Zuma es im Fall der angeblichen Vergewaltigung getan hatte.

Um seine Glaubwürdigkeit wieder herzustellen, hat sich Jacob Zuma bei der Nation für das Vergessen eines Kondoms entschuldigt: „Ich hätte es besser wissen müssen“, sagte er gestern und beteuerte, er befürworte weiterhin Vorbeugung gegen Aids und auch die Stärkung von Frauenrechten in Südafrika.

Somit stimmt die Moral wieder, denn auch der Richter hatte Zumas Verhalten kritisiert. Frauenorganisationen sind frustriert – nicht nur wegen des Urteils, sondern wegen der Einschüchterung der Klägerin. „Die Zuma-Anhänger schrien tagelang ‚Hure‘ und bedrohten ihr Leben – und der Richter hat das akzeptiert“, sagt Lisa Vetten vom Zentrum für Studien zur Gewalt und Versöhnung. „Das sagt viel über unsere Gesellschaft aus.“

Ricardo Mtemba, Anführer der ANC-Jugendliga aus KwaZulu-Natal, blies nach dem Gerichtsurteil hingegen kräftig auf seiner Plastikpfeife und jubelte: „Diese Frau ist eine Schande für alle Frauen.“ Sie sei vorgeschoben worden, um Zuma zu destabilisieren, denn der ehemalige Freiheitskämpfer sei eine Bedrohung für viele im ANC. Und Zumas Sohn Thabiso ließ seinen Gefühlen freien Lauf: „Ja, die politische Karriere meines Vaters ist etwas geschädigt, aber jetzt wird er ANC-Präsidentschaftskandidat.“ Sein Vater erklärte gestern mit aufgesetzter Bescheidenheit: „Ich bin bereit.“

2007 wählt der ANC auf einem Parteitag einen neuen Präsidenten, der sich bei den Wahlen 2009 als ANC-Präsidentschaftskandidat für die Nachfolge Thabo Mbekis bewirbt. Der Kampf um dieses Amt zwischen Zuma und Mbeki hat schon lange begonnen. Nur zwei Tage vor dem Gerichtsurteil betonte Mbeki erneut, die Zeit in Südafrika sei reif für eine Frau als Präsidentin. Zuma hingegen muss noch eine Korruptionsaffäre überstehen, die ihn ab Juli erneut vor Gericht bringt. „Sie versuchen trotzdem, mich vor Gericht zu bringen“, sagt er und lässt es aussehen wie eine neue Verschwörung.

Zumas Anhänger, die ihn vor dem Gerichtsgebäude mit Gebeten und traditionellen Ritualen hochleben ließen, hat er schon überzeugt. Aber nicht sie stimmen auf dem ANC-Parteitag ab. Eher muss Zuma den mächtigen Gewerkschaftsbund hinter sich bringen. Mbeki genießt Ansehen besonders bei der aufstrebenden Mittelklasse – das lässt am linken Rand eine Lücke frei.