Die Neinsager waren in Paris nicht geladen

AUS DEM CAFÉ LES DEUX MARGOTSDOROTHEA HAHN

Croissants, Madeleines und Scones liegen auf den Tischen. Die Luft duftet nach Kaffee. Im Saal sitzen ein paar von den LehrerInnen ausgewählte SchülerInnen der noblen deutschen Schule im Westen von Paris. Dazwischen StudentInnen europäischer Fachbereiche. Sowie eine Hand voll MitarbeiterInnen von Zeitschriften und Vereinen, die auf die EU spezialisiert sind. Vor ihnen hält die in Wien lebende französische Schriftstellerin Christine Singer einen Vortrag über den Raub von Europa. Die Schriftstellerin eilt durch mehrere tausend Jahre Mythen, Geschichte und Literatur. Nach der Entführung des schönen Mädchens Europa durch den als Stier getarnten Gott Zeus, macht sie drei große historische Fälle von Raub in der europäischen Geschichte aus: die Besetzung weiter Teile des Kontinents durch römische Legionäre, die Kreuzzüge und den Sieg des rationellen Prinzips.

Am Europatag soll das Sinnliche im Vordergrund stehen. Die Künste. Die Küchen. Und die Gefühle. So hat es die österreichische Regierung, die sich mit Kaffeehäusern auskennt, gewollt. Bei den 27 „Café d’Europe“ die zeitgleich in den Hauptstädten der EU-Mitgliedsländer sowie Bulgariens und Rumäniens stattfinden, haben die EU-Offiziellen weniger zu sagen, als sonst.

In Paris ist der Schauplatz für diesen sinnlichen Verführungsversuch das Café Les Deux Magots am Boulevard Saint-Gérmain. Der traditionelle Treffpunkt für die Intelligenzia der Rive gauche ist heute in allen Reiseführern als Muss für TouristInnen angegeben. Trotz prohibitiver Preise (ein Espresso 4 Euro) ist das Café immer voll.

Ein Jahr nach dem „Non“ der FranzösInnen zur EU-Verfassung stehen die Befürworter des Projektes immer noch unter Schock. Zum Europatag haben sie sich nicht getraut, auch ein paar VertreterInnen der NeinsagerInnen einzuladen. Die Schriftstellerin, der Senator und der EU-Kommissar auf dem Podium brauchen niemanden zu verführen. Denn die paar Dutzend Menschen im Publikum sind von dem Sinn der EU überzeugt. Sie haben nur Detailfragen.

Die älteren wollen wissen, ob die Jüngeren im Saal sich „europäisch fühlen“. Die Jüngeren wünschen mehr Information über die EU. Und alle gemeinsam lamentieren über die Vorherrschaft der englischen Sprache. Die Schriftstellerin beklagt die „obszöne Simplifizierung“ der Sprache. Eine Frau schlägt die Europäisierung der Zeichensprache vor. Eine andere bemängelt, dass die meist englischsprachigen Texte der EU „für einen US-Amerikaner aus dem mittleren Westen leichter verständlich sind, als für die Mehrheit der EuropäerInnen“. Zur Erinnerung an den Europatag haben die OrganisatorInnen Broschüren ausgelegt. „Sweet Europe“ steht auf dem Titel. Gefolgt von 27 Rezepten für je ein Gebäck aus den EU-Staaten. Alles auf Englisch.