Lift runter, Treppe rauf

BILANZ Mit der Wirtschaft und dem Mittelstand soll es wieder aufwärtsgehen. Bestimmte Branchen verzeichnen mehr Aufträge. Aber die Krise hat einige Bedingungen verändert

AUS BERLIN BEATE WILLMS

Die Meldungen sind widersprüchlich: „Die deutschen Mittelständler haben die Rezession hinter sich gelassen“, fassten die Analysten der DZ-Bank Ende April die Ergebnisse ihrer aktuellen Mittelstandsumfrage zusammen. Die Unternehmen blickten „so optimistisch in die Zukunft wie noch nie“ seit der ersten Umfrage vor 15 Jahren. Bei einer ähnlichen Befragung der Commerzbank zur gleichen Zeit erwarteten dagegen 61 Prozent der Mittelständler mehr Insolvenzen, jeder zweite rechnete mit einer Konzentrationswelle. Und eine Untersuchung der Unternehmensberatung Weissman & Cie. zeigte, dass fast zwei von drei befragten Unternehmern Angst hatten, dass es zu einem zweiten Crash kommen könnte. Was ist nun tatsächlich los im deutschen Mittelstand, der mehr als drei Viertel aller Arbeitsplätze in Deutschland stellt?

Tatsache ist, dass all diese Umfragen bloß Erwartungen ermitteln und daher nur als Stimmungsbarometer dienen können. Etwas hilfreicher sind die Basisdaten. Demnach steigen derzeit die Auftragseingänge vor allem in den Branchen, die im vorigen Jahr die höchsten Einbrüche verzeichneten, also in der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und der Chemie.

Durchhalten bis 2013

Viele Unternehmen fahren die Produktion hoch. Allerdings liegt sie dem Statistischen Bundesamt zufolge immer noch gut 20 Prozent unter dem Stand von vor der Krise. Auch die – teilweise im vergangenen Jahr schon zusammengeschrumpften – Kapazitäten sind also noch längst nicht wieder ausgelastet.

Die Konjunkturexperten der Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen hoch, dass die Wirtschaftsleistung von vor der Krise in Deutschland allerfrühestens ab 2013 bis 2015 wieder erreicht wird. Laut dem Mittelstandsmonitor der KfW-Bankengruppe könnte Ende 2010 bei den kleinen und mittleren Unternehmen erst „etwas mehr als ein Drittel des krisenbedingten BIP-Einbruchs egalisiert“ sein. „Wir sind mit dem Fahrstuhl nach unten gesaust und müssen nun die Treppe nach oben nehmen“, sagt Manfred Wittgenstein, der Vorstandsvorsitzende des Maschinenbauers Wittgenstein AK. Konkrete Prognosen, wann welche Gewinnziele wieder erreicht werden können, wollen viele Unternehmen deshalb nicht wagen.

Daraus spricht eine neue Unsicherheit und Vorsicht, die sich auch in der Ausrichtung für die nächsten Monate und Jahre widerspiegelt.

Bei der Commerzbank-Befragung sagte jeder zweite der 4.000 Unternehmer und Firmeninhaber auf die Frage, was er aus der Krise gelernt habe: Künftig werde er mehr als zuvor auf Kostensenkungen achten, 40 Prozent arbeiten auf eine höhere Profitabilität hin. Konsolidierung und Absicherung war den meisten Unternehmern wichtiger als schnelles Wachstum – und damit neue Jobs.

Zugleich befürchten viele Unternehmen, dass sich Entwicklungen der Krise nicht mehr rückgängig machen lassen. So haben sich die Kunden an niedrige Preise gewöhnt, zugleich ist ein höheres Bewusstsein für Qualität und Nachhaltigkeit entstanden. „Da ist ein harter Preiskampf zu erwarten, der Marktbereinigungen in Form von Insolvenzen und Zusammenschlüssen nach sich ziehen wird“, schreibt Commerzbank-Vorstand Marcus Beumer.

Am härtesten treffen wird das allen Prognosen zufolge das Baugewerbe und den Einzelhandel. In den seit Mitte 2008 besonders gebeutelten exportorientierten Bereichen Auto, Maschinenbau und Co. geht es schon jetzt wieder aufwärts. Nach dem Beinahezusammenbruch des Welthandels im vorigen Jahr profitieren sie nun vom Anziehen der weltweiten Konjunktur. Schlechter geht es dagegen den Branchen, die vor allem auf inländische Impulse wie den privaten Verbrauch oder Investitionen angewiesen sind. So erwarten 83 Prozent der Einzelhändler in diesem Jahr wirtschaftliche Probleme bis hin zu Insolvenzen in ihrem Umfeld, die im besten Fall zu Übernahmen oder Kooperationen führen. Bei den Bauunternehmern glauben 66 Prozent, dass eine nennenswerte Zahl von Wettbewerbern vor der Zahlungsunfähigkeit steht.