Eine Gleichung für alle

Erstmals mussten alle Zehntklässler dieselben Matheaufgaben lösen. Nach drei weiteren Prüfungen bekommen sie den neuen Mittleren Schulabschluss. Ohne den kommt niemand mehr zum Abitur

von Kays Al-Khanak
und Alke Wierth

Lässig stehen vier Jugendliche vor der Charles-Darwin-Oberschule in Mitte und schießen sich einen kleinen Stoffball zu. Die vier Gymnasiasten haben gerade eine wichtige Arbeit geschrieben: Sie gehören zu den gut 35.000 Berliner Zehntklässlern, die gestern den ersten Teil einer bundesweit einheitlichen Prüfung zum Mittleren Schulabschluss (MSA) abgelegt haben. Am Freitag und in der nächsten Woche kommt der Rest: Deutsch sowie eine schriftliche und eine mündliche Prüfung in der ersten Fremdsprache.

Der MSA ersetzt den alten Realschulabschluss und entscheidet auch darüber, wer in die gymnasiale Oberstufe wechseln kann. Alle Zehntklässler von Gymnasien, Real- oder Gesamtschulen nehmen deshalb derzeit an der Prüfung teil. Die Kriterien werden bundeseinheitlich von der Kultusministerkonferenz (KMK) festgelegt. Die einzelnen Aufgabenstellungen werden dann aber von der Berliner Schulverwaltung entwickelt. Die Lehrer bekommen sie genau wie die Schüler erst am Tag der Prüfung vorgelegt.

Den vier Gymnasiasten aus Mitte ist die Mathe-Prüfung nicht schwergefallen. „Eigentlich war das Realschulniveau“, meint der 17-jährige Joshua. „Wir mussten Aufgaben aus den Bereichen Zins- und Funktionsrechnung, Sachaufgaben sowie Geometrie lösen“, erklärt Thaddäus. Der 16-Jährige gab seine Arbeit eine halbe Stunde früher ab.

Die Schülerinnen und Schüler der Moses-Mendelssohn-Gesamtschule in Moabit hatten nach Einschätzung ihres Schulleiters Hartmut Blees ein bisschen mehr Probleme. Aber auch er meint: „Die Aufgaben waren keine Überforderung.“ Doch für einige Schüler sei die Zeit knapp gewesen: Zwei Stunden gab es für zehn Rechenaufgaben. Das hat nicht jedem gereicht. Wer die MSA-Prüfungen versiebt, muss die Klasse 10 wiederholen, wenn er sich nicht mit einem Hauptschulabschluss zufrieden geben will. Zwar kann eine Drei eine schlechte Note in einem der Prüfungsteile ausgleichen. Doch wer in mehreren Prüfungen schlecht abschneidet, fällt durch – auch wenn er auf seinem Jahrgangszeugnis eigentlich bessere Noten hat.

Die Moses-Mendelssohn-Schule ist eine der so genannten geköpften Gesamtschulen: Sie hat keine gymnasiale Oberstufe. Achtzig Prozent der Schüler hier haben nur eine Hauptschulempfehlung. Schulleiter Blees ist deshalb besonders stolz darauf, dass dennoch 10 bis 15 Prozent jedes Abschlussjahrgangs den Wechsel an ein Gymnasium schaffen. Jedenfalls bisher – denn mit der Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse könnte sich das ändern.

Blees hat trotzdem keine Angst vor den MSA-Prüfungen, im Gegenteil. Sie führten dazu, dass im Kollegium verstärkt über Unterrichtsinhalte diskutiert werde, meint der Schulleiter. Und auch die Schüler hätten die Bedeutung der Tests erkannt. Für Blees hat sich das besonders in dem Teil der MSA-Prüfungen gezeigt, der von den SchülerInnen große Eigenverantwortung verlangt. Dabei suchen sie sich ihr viertes Prüfungsfach aus den Bereichen Natur- oder Gesellschaftswissenschaften aus und erarbeiten eine Präsentation, die sie in der Regel zu zweit vorstellen. An der Moses-Mendelssohn-Schule, wo dieser Prüfungsteil als Erster absolviert wurde, habe das zu „erstaunlichen Ergebnissen“ geführt, so der Leiter: „Das zeigt: Wenn den Jugendlichen Verantwortung übertragen wird, dann sind sie auch in der Lage, das zu meistern.“

Auch die Gymnasiasten finden die Prüfung okay. Nicht nur, weil sie leicht ist. „Jetzt stehen alle Schüler nach der 10. Klasse auf dem gleichen Niveau“, sagt der 16-jährige Jakob – und widmet sich wieder dem Softball.

Die MSA-Lösungen stehen gleich nach Prüfungsende unter www.isq-bb.de