„Ich breche den Abstand auf“

THEATER Die Regisseurin Mina Salehpour interessiert sich bei ihrer „Peter Pan“-Inszenierung am Schauspiel Hannover für die Frage, welche Verluste das Erwachsen-Werden mit sich bringen kann

■ 28, war Regieassistentin am Schauspiel Frankfurt und am Schauspiel Hannover. Seit 2011 ist sie als freie Regisseurin tätig. Foto: Katrin Ribbe

taz: In Ihren vorherigen Arbeiten ging es oft um das Fremd- und Anderssein. Finden Sie davon auch etwas in Peter Pan?

Mina Salehpour: In Peter Pan findet man irgendwie alles. Ganz zum Schluss sagt der Erzähler, dass es das schönste Bild sei, wenn die Familie vereint ist, aber gleichzeitig ein fremder Junge, Peter Pan, der die Kinder zurückgebracht hat, draußen am Fenster darauf blickt und ihn niemand sieht. Er fliegt dann einfach weg. Das ist für mich ein unfassbar trauriges Bild, es bedeutet, nicht dazuzugehören, nirgendwo dazuzugehören, gar kein richtiger Mensch zu sein.

Was ist das für Sie für eine Geschichte, die da erzählt wird?

In unserer Inszenierung haben wir uns drauf konzentriert, zu erzählen, wie man erwachsen wird. Muss man sich für das Erwachsenwerden und gegen eine Traumwelt entscheiden, oder geht auch beides zusammen? Ist es möglich, dass man sich seine Fantasie und seine Naivität behält, aber gleichzeitig auch Verantwortung übernimmt? Kann man sagen, Erwachsen-Werden heißt einfach, weniger Angst zu haben, Entscheidungen zu treffen? Man kann an der Figur der Wendy hoffentlich gut erkennen, dass sie sich nicht dafür entscheidet, das Neverland zu verlassen, weil sie sagt, ich werde eine ganz tolle erwachsene Frau. Sondern dass sie die Entscheidung trifft, noch eine Reise zu machen und ein neues Abenteuer erleben zu wollen.

Die Schauspieler spielen bei Ihnen allesamt Kinderrollen. So etwas kann schnell peinlich werden. Wie gehen Sie damit um?

Der Clou ist, nicht zu sagen, wir spielen, dass wir Kinder sind, sondern wir denken wie Kinder und versuchen, diese Unmittelbarkeit, mit der Kinder Dinge sagen, nachzuempfinden. Peinlich wird es nur, wenn Erwachsene versuchen, richtig kleine Kinder zu spielen und es natürlich nicht hinkriegen. Es gibt aber Kollegen wie zum Beispiel Christoph Müller, bei dem man ausflippt vor Begeisterung, wenn er ein Baby spielt. Aber das sind so magische Schauspielmomente, die eben nur genau diese Kollegen hinbekommen. Wie auch Katja Gaudard als die Fee Tinkerbell.

Inszenieren Sie anders für ein Kinder-Publikum als für Erwachsene?

Natürlich inszeniere ich jedes Mal anders, weil es jedes Mal um etwas anderes geht. Es kommt ja immer auch auf das Stück an, wie sehr das Stück schon dekonstruiert ist, und wie sehr man da mitgehen muss. Allerdings ist es inzwischen fast so eine Art Regiehandwerk, dass das Theater ein wenig Abstand zu den Stoffen halten muss. Ich breche diesen Abstand – zumal in einem Märchen – gerne auf. Man sollte immer das inszenieren, was man am Ende selber sehen möchte. INTERVIEW: ALEXANDER KOHLMANN

nächste Vorstellungen: 6. 11. und 7. 11., 11 Uhr; 10. 11. und 17. 11., 17 Uhr