Transzendentalisten zu Pferde

FOLKROCK Null Angst vor Kitsch: Band of Horses arbeiten sich auf ihrem neuen Album „Infinite Arms“ an der spirituellen Seite des Americana-Mythos ab

VON SARAH-ANTONIA BRUGNER

“Nicht zu verwechseln mit Horse The Band“ ist der erste Hinweis der Online-Enzyklopädie wikipedia zu der aus North und South Carolina stammenden Band of Horses. Das Verwechslungspotenzial ist offenbar an den pferdischen Bandnamen geknüpft und findet auch in einem sich ähnelnden Auftreten Niederschlag.

Beide, Horse the Band und Band of Horses bestehen aus je fünf vollbärtigen, tätowierten Männern aus den USA, die in ihren mitteljungen Jahren bereits als vom Leben gezeichnete Gestalten durchgehen. Die fünfköpfigen Männerformationen haben also allesamt das Zeug dazu, von Großmüttern mit Skepsis gemustert zu werden. Während die lieben Omis in Horse The Band als bühnenzerlegender Metalcore-Fünfer allen ihren Argwohn bestätigt sehen würden, könnte ihnen bei Band Of Horses schwelgerischem Rock und Folk gar noch warm ums Herz werden.

Vor allem dann, wenn sie die harte-Schale-weiche-Kern-Formation bei ihrem jüngsten Auftritt in der Kulturkirche in Köln erlebt hätten. Momente zum verstohlen-eine-Träne-aus-dem-Auge-wischen hatte das Konzert einige geboten.

Sänger Ben Bridwell, Gitarrist Tyler Ramsey und der Keyboarder Ryan Monroe haben sich gegen Ende der Zugabe selbst noch bemüßigt gefühlt auf die Kanzel zu klettern, um mit „Evening Kitchen“, einem Lied vom neuen Album „Infinite Arms“, die steinerweichende Wirkung ihrer Musik bestätigt zu sehen. Mit diesem elegischen Lied, das mit einem für die Band charakteristisch mehrstimmigen Singen und Summen von Vokalen einsetzt, wird auch in den Lyrics der sakralen Einbettung Rechnung getragen. „My God don‘t you hold out your hand, I called off my plans, I counted on you“, singt Bridwell in den wärmsten Tönen und weiters, dass ihm Gott an den vielen Orten seines Daseins abhandengekommen sei und er losziehen wolle, um ihn zu suchen.

Viele Songwriter verarbeiten ein existenzialistisches Moment in ihrer Musik, da machen Band of Horses also nichts Neues. Dass der Prozess der Selbstfindung zu einer Auseinandersetzung mit dem Glauben wird, ist für das mitteleuropäische Indiepublikum aber doch eine relativ unbekannte Variable. Der Transzendenzerfahrung schieben Band Of Horses sogleich folgende Zeile nach: „This bottle of wine is to slow down my mind and forget the things that I knew.“ Damit wird das mit sich hadernde Glaubensbekenntnis bis auf weiteres in einem bewusstseinsbetrübenden Stimulus ertränkt.

Denn nicht die explizite Rede von Gott dominiert das Album, sondern bildstarke Momente, die sich aus einer erhabenen Naturerfahrung und einem Schwelgen in Erinnerung und Sehnsucht speisen. Wie bei den zwei Vorgängeralben prangt auf dem Cover von „Infinite Arms“ abermals eine eindrucksvolle Naturaufnahme. Der Ausblick auf einen sternenübersähten Himmel des Mittleren Westens evoziert das oft zitierte Gefühl der eigenen Unbedeutsamkeit gegenüber der Unendlichkeit des Universums. Die Verpackung der Platte ist jedenfalls richtungsweisend: wer keine Angst vor großen Gesten hat und bereit ist ein wenig Demut zu schnuppern, dem wird bei „Infinite Arms“, das sehr auf die Abbildung von Stimmungsbildern abzielt, warm ums Herz. Wem dicker Anstrich mißfällt, der wird sich von dem Filmepos, den die Musik vor dem inneren Auge heraufbeschwört, nicht einlullen lassen und ob der fehlenden Brüche und Spannungsbögen den Breitwandpop mit einem müden Gähnen quittieren. Auf eine fragile Art hymnisch war der Band Of Horses-Sound seit der ersten Stunde. Bridwells wunderbarer Gesang, große Texte und aufrüttelnde Melodien, in denen man sich verlieren kann und die einen nicht länger ruhig auf dem Bürosessel verweilen, sondern just für ein „On The Road“-Lebensgefühl entbrennen lassen - das sind ungebrochen die größten Stärken der Band.

Jedoch ist Band Of Horses irgendwo auf dem Weg nicht nur der Allmächtige abhanden gekommen, sondern auch der biblisch gesprochenen Stachel im Fleisch.

Band Of Horses: „Infinite Arms“ (Sony Music)