Wo die wurzelechte Rieslingsrebe steht

Sachliches zum Süffigen: Eichenholzfass oder Eichenholzbrett im Stahltank, das macht oft die feinen Unterschiede der Weinkunde aus. Weinseminare helfen, den Wein nicht nur zu schmecken, sondern seine Geschichte zu verstehen

Wer wissen möchte, wie ein südfranzösischer Merlot schmeckt, in den ein Berliner Weinhändler eine Woche lang getoastete Eichenholzspäne gelegt hat – der hat am Samstag die Gelegenheit dazu. Bei einem der Sommerseminare des Berliner Weinbundes, das den Titel „Barrique, Chips und Aromastoffe“ trägt und bei dem es um die Frage geht, wie Winzer ihre Weine manipulieren.

Das für ein sommerliches Weinseminar eher ungewöhnliche Thema hat einen weniger kulinarischen und mehr politischen Anlass: das neue Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Dieses hatte in der deutschen Weinszene für großen Unmut gesorgt, weil es den Import von Weinen erlaubt, die mit Methoden hergestellt wurden, die in Europa verboten sind.

Inzwischen jedoch hat sich die Aufregung wieder etwas gelegt. Denn schließlich, so Jan Kiegeland vom Weinkontor DiVinum, „wurde bei der Debatte in den letzten Monaten deutlich, dass eben nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland viele künstliche Stoffe bei der Weinbereitung eingesetzt werden.“ Als Beleg präsentiert der Weinhändler, ein Spezialist für italienische Bioweine, einen Prospekt der Firma Erbslöh, der deutlich macht, welche „Aromaprofile“ bereits heute durch die Verwendung von so genannten Reinzuchthefen erzielt werden können. Da gibt es Oenoferm®InterDry für ein besonders intensives Pfirsicharoma oder Oenoferm®Color für dominierenden Farbeindruck. Daher gehe es nun, so Kiegeland weiter, nicht um die Frage „Aromastoffe ja oder nein“. Denn ihre Verwendung sei ja längst Realität. Notwendig sei jedoch ein Gesetz, das die Hersteller verpflichte, diese Stoffe auf dem Etikett anzugeben.

Für den Weintrinker mindestens ebenso wichtig ist jedoch auch die Frage, welche Auswirkungen Holzspäne und Aromastoffe auf den Geschmack des Weins haben. Kann der Normalverbraucher überhaupt einen Unterschied zwischen „künstlich“ und „natürlich“ feststellen? Und so bieten Kiegeland und sein Kollege Reiner Türk vom Kreuzberger „Weinkeller“ bei ihrem einstündigen Seminar neben dem mit „OakyVin“ aufgepepptem Merlot auch einen Chardonnay vom südafrikanischen Massenproduzenten Golden Kaan, der seinen „sanften Holzgeschmack“ laut Verkaufsprospekt von alten Eichenfassbrettern, die in Stahltanks gelegt wurden, erhalten hat.

Ein ebenso deutliches Holzaroma, das alle anderen Töne erschlägt, zeigt auch der ebenfalls angebotene Cabernet-Sauvignon desselben Unternehmens. Um die Unterschiede zwischen Industrie- und Terroirweinen deutlich zu machen, gibt es zum Abschluss eine Cuvée aus Cabernet, Merlot und Lagrain aus Südtirol. Auch dieser Wein wurde in kleinen Eichenholzfässern ausgebaut. Da der Winzer diese aber bereits zum zweiten Mal nutzte, dominiert das von ihnen stammende Aroma den Wein nicht.

Das Sommerseminar der zehn Weinhändler, die sich zum Berliner Weinbund zusammengeschlossen haben, findet inzwischen zum fünften Mal statt. Die Besucher können zwischen neun Seminaren wählen, die in drei Weinhandlungen in Charlottenburg, Kreuzberg und Prenzlauer Berg stattfinden. Dabei geht es dann nicht nur um Eichenholzspäne, sondern auch um so sommerliche Themen wie die Geschichte des Weißweins, leichte Moselrieslinge und den Moschofilero, die weiße Traube des Peloponnes. SABINE HERRE

www.weinbund-berlin.de