FUNDSTÜCKE, DÖDELIGE SCHNÜDEL UND EIGENTORE SONDER ZAHL
: Das ist Kunst!

Die rätselhafte Welt des Sports

ACHIM BOGDAHN

Nazi-Schatz“ (Bild-Zeitung) in der Wohnung des „irren Kunstsammlers“ (BZ) in „München“ (Süddeutsche Zeitung) ist immer noch größer als gedacht. Erst tauchten Bilder von Picasso, Chagall, Matisse auf, dann von (Reinhold?) Beckmann, Marc (Wilmots?), Caspar David Friedrich, Melchior und Balthasar (die heiligen fünf Könige).

Über einen Stollen gelangten Polizisten ins Bernsteinzimmer. Ab dann wurde es vollkommen abenteuerlich. In einem total vermüllten Nebenzimmer lagen die Zahnpastatube von Dieter Baumann, der verlorene WM-Ball von Wembley 1966, das Tornetz aus Hoffenheim, das Haarnetz von Marcel Schmelzer und die Perücke von André Agassi, die „Steuererklärungen“ von Uli Hoeneß und Lionel Messi, das Feuerzeug von Breno, das verloren gegangene Talent von David Odonkor, ein Fragezeichen, ein Ganzkörperepilierer von Ronaldo, der Schnauzbart von Waldi Hartmann, Spucke von Frank Rijkaard aus dem Jahr 1990, jede Menge Tuben, Pasten und Pillen mit der Aufschrift „Claudia Pechstein“ (vermutlich Kosmetika!), ein Geldspeicher von Sepp Blatter, diverse Rolex-Uhren aus Katar von Rummenigge und andere Kostbarkeiten im Wert von mehreren Milliarden.

Einige Kunststücke haben aber in der Sammlung noch gefehlt: zum Beispiel das von Stefan Seufert vom FC Schweinfurt 05 („Die Schnüdel“). Der hat diese Woche vom Mittelkreis aus ein Tor erzielt. Im Spiel gegen 1860 II in der bayerischen Regionalliga hatte er auf einen Pressschlag mit dem Gegner spekuliert, der zog aber zurück, und so donnerte Seufert den Ball aus 50 Metern ins eigene Tor. „Ich hoffe, es wird wenigstens Tor des Monats“, sagte der dödelige Schnüdel danach. Es war nicht das spektakulärste Eigentor. Das stammte vielleicht von Otto Baumgartner (Jahn Regensburg) von April 1985: Der Stürmer war gerade als Joker im Spiel gegen Bamberg eingewechselt worden, setzte ungefähr bei der Mittellinie zum Solo an, umkurvte elegant diverse Gegner (und auch eigene Spieler), zog aus 18 Metern voll ab, und der Ball flog unhaltbar in den Winkel. Erst beim Torjubel, als keiner seiner Mitspieler zu ihm kam, bemerkte er, dass er gerade ein Eigentor erzielt hatte.

Bis heute ist ungeklärt, wie es zu diesem Totalblackout kommen konnte. Psychologen begründeten den Fehlschuss mit einer synaptischen „Rechts-links-Verwechslung“, andere meinten spontan: Koks. Sein damaliger Trainer meinte nur: „Der Otto spinnt.“ Der Vertrag, den Uli Hoeneß angeblich seinerzeit für den Jugendnationalspieler Baumgartner schon vorbereitet hatte, wurde jedenfalls schnell wieder weggesteckt (zu den Steuerunterlagen), der Eigentormann ist heute angeblich Kfz-Mechaniker im Niederbayerischen.

Noch mehr Eigentore hat Nikolce Noveski (Mainz 05) erzielt, nämlich gleich zwei in den ersten sechs Minuten im Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt 2005. Immerhin: Er erzielte auch den Anschlusstreffer für die eigene Mannschaft, der Wille war zumindest erkennbar. Es geht noch schlimmer: Chris Brass vom FC Bury/Manchester schoss sich bei einem Rettungsversuch ins eigene Gesicht. Eigentor und Nase gebrochen. Wobei: „Ein Nasenbeinbruch ist kein Beinbruch“ (Jürgen Klopp). Na ja, Andres Escobar (kolumbianischer Nationalspieler) wurde nach einem Eigentor bei dem WM in den USA 1994 daheim in Bogotá erschossen.

Die meisten Eigentore aller Zeiten wurden 2002 in einem Erstligaspiel in Madagaskar erzielt. Es war beim Spiel AS Adema gegen SOE Antananarivo in der Hauptstadt der Insel. Aufgrund eines Streits mit dem Schiedsrichter und dem Verband fingen die Spieler von SOE an, Eigentore zu erzielen. Nach jedem Anstoß liefen sie aufs eigene Tor und schossen den Ball hinein. Am Anfang beobachteten die Zuschauer und die Gegenspieler das Geschehen noch amüsiert, irgendwann gingen die Fans nach Hause und verlangten an der Kasse das Geld zurück. Eigentor um Eigentor, so ging das bis zum Schlusspfiff. 149 zu 0! Im Anschluss wurden der Kapitän der Nationalmannschaft, Manitranirina Andrianiaina und die Spieler Ratsimandresy Ratsarazaka und seine Kollegen Rakotoarimanana und Rakotonandrasana plus Trainer Ratsimandresy Ratsaratzaka bis zum Saisonende gesperrt. Das Match hält bis heute mehrere Rekorde. Die meisten Vokale und Konsonanten, die meisten Eigentore, alle 40 Sekunden eins. Es ist auch der höchste Sieg der Fußballgeschichte. Das ist wahre Kunst!