Hoffnungsträger in Unterzahl

Ohne parlamentarischen Rückhalt übernimmt René Préval die Präsidentschaft Haitis

Préval wird Bündnispartner suchen und politische Zugeständnisse machen müssen

SANTO DOMINGO taz ■ Wenn René Préval am Sonntag vor dem haitianischen Parlament seinen Amtseid als neu gewählter Staatspräsident ablegt, wird sein regulärer Amtsvorgänger Jean-Bertrand Aristide zwar nicht anwesend, doch omnipräsent sein. Prévals einstiger Weggefährte war im Februar 2004 durch einen bewaffneten Aufstand gestürzt worden. Seitdem verwaltete eine Übergangsregierung mehr schlecht als recht das Armenhaus Lateinamerikas, für die Sicherheit sorgt eine UN-Blauhelmtruppe von 9.500 Soldaten und Polizisten.

Zwar haben mehr als eine Million der im Wahlregister Eingeschriebenen Préval im Februar mit absoluter Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Den Chef des Wahlbündnisses „Lespwa“ (Hoffnung) dann auch noch mit einer parlamentarischen Mehrheit auszustatten, dazu hat der Atem der Wähler nicht mehr gereicht.

Vor allem, um aus eigener Kraft sein Armutsbekämpfungsprogramm umzusetzen, bräuchte Prévals Wahlbündnis in beiden Häusern eine ausreichende Mehrheit. Die hat er nicht. Von den 30 Senatoren gehören nur 11 der Lespwa an, und von den 99 Abgeordneten kann Préval nur auf ein Fünftel zählen. Drei Senatoren und 14 Abgeordnete werden im Laufe des Jahres erst gewählt werden.

Préval wird Bündnispartner suchen und dabei politische Zugeständnisse machen müssen. Allerdings verfügt keine der anderen Parteien über mehr als vier Sitze im Senat, so dass Préval auf die Unterstützung mehrerer politischer Gruppierungen angewiesen ist. Sowohl führende Mitglieder der „Kämpfenden Volksbewegung“ als auch der sozialdemokratischen „Fusions- und Alyans-Partei“ haben zwar ihre Bereitschaft bekundet, ihn zu unterstützen, die politische Rechnung haben sie jedoch noch nicht öffentlich präsentiert.

Auch auf Aristides „Fanmi Lavalas“ wird sich Préval kaum stützen können. Sie ist mit drei Senats- und sechs Kongresssitze weit hinter den Erwartungen geblieben. Prévals Reformprojekt könnte somit schon nach den ersten Schritten ins Straucheln geraten, wenn Préval ohne ausreichende Mehrheit zum Spielball der Interessen wird.

Die Ausgangsposition an sich ist schon schlecht genug: Drei Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar am Tag. Der Lebensalltag in den Armenvierteln ist von Gewalt geprägt. Für die Sicherheit sorgt nur unzulänglich ein von Brasilien geführtes internationales Kontingent von UN-Blauhelm-Soldaten und -Polizisten. Préval hat bereits einer Verlängerung des Mandats um sechs Monate zu gestimmt.

Préval, dem eine angeschlagene Gesundheit nachgesagt wird, hat in den letzten Wochen ein umfangreiches Besuchsprogramm im Ausland absolviert, um internationale Unterstützung zu suchen. Ob die Unterstützung von US-Präsident George W. Bush lange anhalten wird, ist fraglich, denn Kubas Staatschef Fidel Castro hat Haiti zugesagt, noch mehr Ärzte zu entsenden.

Schon heute wird die Gesundheitsversorgung auf dem Land und in den Armenvierteln fast ausschließlich durch medizinisches Personal aus Kuba garantiert. Künftig wird Haiti mit venezolanischem Öl zu Vorzugspreisen beliefert werden, das hat Hugo Chávez versprochen. Ankündigungen, die viele hoffen lassen. Hans Ulrich Dillmann