Durchgestochene Geschichten und Whistleblower

Wenn Journalisten zu gut recherchieren, bemühen die Dienste gern das Strafrecht – oder bespitzeln selbst. Und das ist keine Ausnahme

BERLIN taz ■ Undichte Stellen bei Ministerien und Behörden gehören für die Medien zum Alltagsgeschäft: Hier wird eine Geschichte ganz bewusst „durchgestochen“, weil die Informanten ein entsprechendes Interesse verfolgen. Dort wendet sich ein so genannter Whistleblower an die Presse, um auf Missstände oder Machtmissbrauch hinzuweisen. Der „Neue Heimat“-Skandal in den Achtzigerjahren, nach dem ein ganzes Firmenimperium der Gewerkschaften zusammenbrach, ist genauso auf undichte Stellen zurückzuführen wie die aktuelle Cicero-Affäre, bei der das Potsdamer Magazin aus geheimen Unterlagen des Bundeskriminalamtes zitierte.

Stets werden dann die Schuldigen in den eigenen Reihen gesucht. Doch um sich dabei möglichst wenig Mühe zu machen, nehmen die betroffenen Ämter und Behörden seit einigen Jahren immer häufiger den praktischen Umweg über die beteiligten Medien. „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ heißt dann der Vorwurf – im Falle der BND-überwachten Journalisten genauso wie bei Cicero.

Wolfgang Krach, geschäftsführender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung, sagte gestern gegenüber der taz: „Ich bin offenbar einer der Bespitzelten.“ Er fügte hinzu: „Als ich 1996 beim Stern gearbeitet habe, wurde ich, wie ich am Donnerstag erfahren habe, beschattet. Damals war eine meiner Aufgaben die Berichterstattung über den BND. Ich wurde nach den Recherchen des Sonderermittlers Gerhard Schäfer am 30. Januar und 2. Februar 1996 observiert – vermutlich, als ich mich mit dem Journalisten Erich Schmidt-Eenboom in Weilheim getroffen habe.“ Bei der ebenfalls betroffenen Südwest Presse in Ulm bemühte man sich gestern, den betreffenden Journalisten herauszufinden. „Wir versuchen derzeit, herauszufinden, wer aus unserer Reihe es ist“, sagte der stellvertretende Chefredakteur, Detlev Ahlers, der taz. Die Nachricht, dass die Zeitung betroffen ist, sei für ihn überraschend gekommen, so Ahlers.

Auch bei der Wolfsburger Allgemeinen ging es um angebliche Beihilfe zum Geheimnisverrat: Auf richterlichen Beschluss waren an zwei Tagen im Jahr 2003 und vom 9. bis 12. Februar 2004 die Telefonkontaktdaten der zentralen Telefonvermittlung sowie die Dienst- und Privatanschlüsse von zwei Journalisten des Blatts überwacht worden. Mit wenig Erfolg: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren schließlich ein. Auch bei Cicero, wo mehrere Verfahren anhängig sind, gibt es bereits ein Ergebnis: Schon im Februar wurde das Verfahren gegen Chefredakteur Wolfram Weimer wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat eingestellt – gegen eine Zahlung von ganzen 1.000 Euro. STG