Werder statt Entwicklungshilfe

Bremen reduziert seine Ausgaben für Entwicklungshilfe drastisch. Nichtsdestotrotz ist der Marktplatz zurzeit gespickt mit den „Milleniums-Zielen“: „Wir können die Armut halbieren“. Wen interessiert‘s?

Von Dieter Sell

Links schwappen acht Liter in einem knapp gefüllten Wassereimer. Rechts sind Gefäße mit 127 Litern aufgehäuft. Der Vergleich auf dem Bremer Marktplatz illustriert den täglichen Pro-Kopf-Wasserverbrauch, der in Deutschland um ein vielfaches höher als im westafrikanischen Burkina Faso ist. Die Eimerwand gehört zu einem Aktionstag, mit dem viele örtliche Initiativen am Sonnabend die Millenniumsziele der Vereinten Nationen im Kampf gegen die extreme Armut verdeutlichen. Es ist ein Markt der Entwicklungspolitik zum Anfassen.

Vor sechs Jahren beschlossen 191 Nationen am Ende des UN-Millenniumsgipfels unter anderem, dass der Anteil der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser bis 2015 halbiert werden soll. Sauberes Wasser sei wichtig im Kampf gegen Kindersterblichkeit, sagt zur Eröffnung des Aktionstages der Bremer Professor Jochen Zenker. Die Zahlen, die er nennt, sind dramatisch. „Zehn Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jährlich in den Entwicklungsländern – das sind 27.000 pro Tag“, mahnt der Leiter des Bremer Gesundheitsamtes.

Die Müttersterblichkeit soll gesenkt, die Ausbreitung von Aids, Malaria und anderen Krankheiten gestoppt, die Zahl der Slumbewohner reduziert werden. Für diese und andere Ziele stehen Banner auf dem Marktplatz, an denen aber die meisten Passanten achtlos vorbeigehen. „Ohne den Druck aus der Bevölkerung sind die Ziele nicht zu verwirklichen“, ruft Gunther Hilliges wenigen Zaungästen zu. Derweil schlendern hinter dem ehemaligen Leiter des Bremer Landesamtes für Entwicklungszusammenarbeit Fußballfans Richtung Domshof, wo bald das Spiel Werder Bremen gegen den HSV auf einer Großleinwand übertragen wird.

Dass das Land Bremen seine Ausgaben für Entwicklungshilfe drastisch reduziert und Deutschland weit entfernt vom international angestrebten Finanzbeitrag in Höhe von 0,7 Prozent des Bruttosozialproduktes ist, beweist den steinigen Weg zu den UN-Zielen. Hilliges hält dagegen. „Wir haben die Mittel und das Wissen, um die Armut weltweit zu halbieren“, betont der Ex-Staatsrat. Gleichzeitig verweist er darauf, dass die Masse des Reichtums auf dem Globus in die Rüstung gesteckt und nicht in die Entwicklung investiert wird.

Gruppen wie „terre des hommes“, „amnesty international“ und das „Bremer Wasserforum“ treten trotz des dürftigen Publikums-Interesses für Menschenrechte und eine faire Weltwirtschaft ein. Am Stand der Evangelischen Studierenden-Gemeinde locken „Vollmund“ und „Wachkuss“ – kräftig duftender und fair gehandelter Kaffee aus Kamerun. Fingerpuppen aus Guatemala finden das Interesse Einzelner am Tisch des „Weltladens“. Trommler aus Togo und eine tamilische Kindertanzgruppe sorgen bei sonnigem Wetter für internationales Flair.

Gegen Ende des Aktionstages wird es richtig voll. Doch wieder ist das Interesse an der Entwicklungspolitik vor Rathaus und Bürgerschaft dürftig. Tausende pilgern zum Domshof gleich nebenan vor die Bierwagen-umstellte Leinwand, auf der gleich die Fußball-Übertragung startet. Noch bis Donnerstag bleibt Zeit, sich über die Kampagne von fast 50 Bremer Gruppen und Initiativen zu informieren. Dann werden die Banner-Tore der UN in Süddeutschland aufgebaut. (epd)

Weitere Informationen: www.millenniumsziele-bremen.de