berliner szenen Unter Deck durch Berlin

Die Spreetouristen

Die Ausflugskähne auf der Spree haben jetzt wieder Saison. Es funktioniert wie immer: Die Schiffer laden die Sonnendecks ihrer Kähne mit Touristen voll und fahren die bekannten Routen ab. Dazu läuft ein Tonband. Eine Kellnerin mit grauem Gesicht nimmt derweil Bestellungen auf. Die Kellnerin kann kein Englisch und guckt müde. Immer, wenn sie nach unten in die Schiffsküche kommt, machen die Kollegen Witze: In deinem Alter soll man die Nächte nicht mehr so kurz machen, Petra!

Das Tonband für die Touristen ist nicht auf dem neuesten Stand. Keiner hat sich die Mühe gemacht, es auszutauschen. Im Bundeskanzleramt wohnt noch Bundeskanzler Schröder. Vom Schutthaufen, den die Abrissbagger vom Palast der Republik übrig gelassen haben, sagt die Stimme: Die Zukunft ist ungewiss. Eine Zeit schiebt sich in die andere, und eine Schifffahrt durch Berlin macht auf angenehme Weise deutlich, dass alles keinen Unterschied macht.

Das kann man auch an den spanischen Urlaubern sehen. Sie sitzen im Dunklen unter Deck, tragen gut geschnittene Anzüge, Sonnenbrillen und reden mit gedämpften Stimmen. Als die Kellnerin Bockwurst bringt, wickeln die meisten von ihnen an Funktelefonen irgendwelche Geschäfte ab. Es sieht nicht so aus, als seien die Sehenswürdigkeiten der Stadt dabei von Belang.

Nach Feierabend steuern die Kähne Richtung Wedding. Die Schiffer legen die Füße hoch, drehen die Musikanlage laut und fahren nacheinander in einen schönen Sonnenuntergang hinein. Aus den Lautsprechern schallen Fußballlieder. Es ist die Zeit, wenn die Dämmerung sich in die Uferwiesen senkt, wenn die Grillfeuer angehen und die Hunde von der Leine gelassen werden. KIRSTEN KÜPPERS