NACHTS IM SOHO HOUSE
: Damian träumt

Sir Alfred starb mit einem Lächeln

Sir Alfred drehte ein bisschen auf und erhöhte die Frequenz seines Flügelschlags und überwand die Kapillarkräfte, die ihn auf dem weißen Plastikgartenstuhl festhielten, und segelte in die Tiefe. Wie es im Luftraum über dem abgeschnittenen Kuhkopf zur Kollision kommen konnte, war nicht festzustellen. Wahrscheinlich waren einfach zu viele von seiner Sorte unterwegs in dem Glaskasten. Sir Alfred verletzte sich am Flügel, taumelte und stürzte in das zähflüssige, noch immer aus dem langsam verwesenden Tierschädel austretende Blut, das unter dem Plastiktisch und den Plastikstühlen kleine Pfützen bildete.

War das schon das Paradies? Zwar konnte er seine Flügel jetzt überhaupt nicht mehr bewegen. Aber wozu auch? Er steckte mitten in einem Meer aus Rinderblut und Lymphe – Milch und Honig für Sir Alfred. Leider dauerte es nicht lange, bis das zähe Gemisch seine Tracheen verklebte und ihm die Luft ausging. Sir Alfred starb gewissermaßen mit einem Lächeln auf dem Rüssel. Hätte ihm jemand gesagt, dass er als Teil einer Arbeit des berühmtesten Künstlers seiner Zeit enden würde, die auf dem Markt ein paar Millionen brachte, es hätte ihn kaum glücklicher gemacht. Aber ganz genau so war es.

Damien Hirst erwachte schweißgebadet in seinem Kingsizebett im neuen Soho House, Torstraße Ecke Prenzlauer. Wieder hatte er sich nicht in einen Käfer verwandelt. Ein bisschen hatte er sogar gehofft, der Genius Loci würde ihn hier holen und er würde im Traum an einer durchgeknallten Sitzung des ZK der SED teilnehmen und Honecker einen Totenkopf auf die Glatze malen. Nüscht.

Stattdessen hatte jemand seine ganzen Schokoriegel aufgegessen, während er schlief. Und diesen ultraabgeschmackten Albtraum mit der Fliege und dem Kuhkopf, den konnte er langsam aber wirklich nicht mehr sehen. SASCHA JOSUWEIT