Gestatten, König Guido I.

FDP-Parteitag ganz im Zeichen des neuen Partei- und Fraktionschefs Westerwelle. Die „neue Umweltpolitik“ besteht aus einem alten Wunsch: längere AKW-Laufzeiten

ROSTOCK taz ■ Am Ende drehte sich doch alles nur um einen: Guido Westerwelle. Die Liberalen waren gespannt, wie sich ihr Frontmann auf dem ersten Parteitag schlagen würde, nachdem er Wolfgang Gerhardt aus dem Fraktionsvorsitz gedrängt und sich zum Alleinherrscher aufgeschwungen hatte. Dabei war in Rostock eigentlich ein Programmparteitag geplant. Die FDP wollte sich bisher vernachlässigten Bereichen wie der Umweltpolitik öffnen – und im Wählerreservoir der Grünen fischen.

Die offiziellen Reaktionen seiner Liberalen geben Westerwelle Recht. „Grandios.“ „Famos.“ „Beeindruckend.“ Die FDP-Parteifreunde überschlagen sich in Elogen auf seine Grundsatzrede. Auch als es um die Programmatik geht, wird fast kein Delegierter müde, die Rede des neuen Partei- und Fraktionschefs zu loben. Dabei war es eine durchschnittliche Rede. Westerwelle bringt nichts Neues. Er geißelt die Politik der großen Koalition. „Es gibt nichts Unsozialeres“, ruft der FDP-Chef: Ob Mehrwertsteuererhöhung, Reichensteuer, Belastung der Familien – die Vorwürfe sind seit Monaten bekannt. Westerwelle wiederholt sie gebetsmühlenartig.

Interessanter wird es, als Westerwelle Gerhardt für seine sieben Jahre an der Spitze der Bundestagsfraktion dankt. Minutenlang feiern die Delegierten Gerhardt, den Westerwelle an die Spitze der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung weggelobt hat. Der Applaus ist nach Westerwelles Rede nicht größer. Ein kleiner Fingerzeig dafür, dass manch ein Delegierter doch nicht ganz einverstanden war mit der Art, wie Westerwelle Gerhardt das Amt abnahm.

Einen innerparteilichen Streit über die Pflichtmitgliedschaft von Großunternehmern und Mittelständlern in der Industrie- und Handelskammer sowie in den Handwerkskammern lässt der frisch gebackende Fraktionschef auf dem Parteitag zunächst voll austragen. Denn der geht an die liberale Seele. Ob große oder kleine Unternehmer – das ist die liberale Stammklientel und das sind auch viele Delegierte selbst. Doch zum Ende der Debatte wirft Westerwelle seinen Hut in den Ring und plädiert für die Pflichtmitgliedschaft, weil gerade die Mittelständler so besser vertreten werden könnten. Prompt folgt die Mehrheit des Parteitags ihrem Anführer.

Doch Westerwelle präsentiert sich nicht nur als der uneingeschränkte Chef der Liberalen, er will sich auch als Oppositionsführer profilieren. Neben Schwarz-Rot kritisiert er die Linksfraktion. „Das ist ja fast schon Sektierertum“, sagt er über die Fusionsquerelen zwischen PDS und WASG. Auch die Grünen bekommen ihr Fett ab. „Umweltpolitik kann man intelligenter und effizienter machen“, als das die Grünen mit staatlichen Eingriffen in den letzten sieben Jahren betrieben hätten. Westerwelle will mehr Wettbewerb auf dem Energiemarkt und plädiert für einen ausgewogenen Mix samt alternativen Energien und Kernkraft. Die Laufzeiten der Atommeiler müssten verlängert werden. Das sei umweltfreundlich und mache Deutschland weniger abhängig von Öl und Gas. Die Basis ist begeistert und nimmt die neuen umweltpolitischen Leitlinien an. Viele Grünen-Wähler dürfte Westerwelle mit dem klaren Bekenntnis zur Atomkraft allerdings wohl kaum gewinnen.MAURITIUS MUCH