Nur die Elefanten sind hoffnungsvoll

In der Elfenbeinküste stockt erneut der Friedensprozess, die Bildung einer Allparteienregierung hat die Probleme zwischen Regierung und Rebellen nicht gelöst. Die geplanten Wahlen erscheinen unwahrscheinlicher als ein Sieg bei der Fußball-WM

Keine Seite will den ersten wirklichen Schritt Richtung Frieden tun

AUS ABIDJAN HAKEEM JIMO

Wenigstens zwei gute Seiten hat die Krise in der Elfenbeinküste hervorgebracht: eine innovative Musikszene, deren Lieder weit über das frankofone Afrika hinaus gehört werden, und einen nie da gewesenen Erfolg der „Elefanten“, der Fussballnationalmannschaft. Zum ersten Mal nimmt die Auswahl dieses Jahr an einer WM teil. Und Anfang des Jahres wurde sie Zweiter bei den Afrikameisterschaften.

Aber der Erfolg im Kulturellen spiegelt sich weder in der Politik noch in der Wirtschaft wider. Die Ökonomie des Landes unterliegt einem quälenden Siechtum. Die Regierung von Präsident Laurent Gbagbo, die den Süden des Landes kontrolliert, versucht alles zu liquidieren, was sich verkaufen lässt. Staatsanleihen werden ausgegeben, um die weggebrochenen Einnahmen aus dem Hafen von Abidjan zu kompensieren. Das Katasteramt lädt Geometer ein, überall in der Elfenbeinküste Land für den Verkauf vorzubereiten. Immer wieder berichten ivorische Zeitungen von undurchsichtigen Geschäften zwischen der ivorischen Regierung und Angola: Angola soll Gbagbo bei der Aufrüstung helfen. Im Gegenzug erhält es Beteiligungen an der aufkommenden ivorischen Erdölindustrie.

So viel den ivorischen Politakteuren an Geschäftsideen einfällt, so wenig Ideen haben sie für einen echten Durchbruch bei der Versöhnung des Landes, das seit 2002 im Bürgerkrieg steckt, und dessen Nordhälfte seitdem von Rebellen beherrscht wird. Der Friedensprozess, geführt von einer Allparteienregierung unter dem neutralen Interimspremier Charles Konan Banny, erinnert an ein Jo-Jo-Spiel. Mal geht die Stimmung rauf, mal runter; mal blockieren die Hardliner im Gbagbo-Lager, mal die bei den Rebellen. „Wir stehen an einem toten Punkt“, sagte Anfang Mai Gérard Stoudmann, UN-Sonderbeauftragter für die bis spätestens Oktober geplanten Wahlen.

Dabei begann das Jahr für die rund 16 Millionen konfliktmüden Ivorer verheißungsvoll. „Die Wahlen im Oktober werden das Ende der Krise im Land sein“, sagte Rebellensprecher Sidiki Konaté noch vor ein paar Wochen. Nach über einem Jahr Abwesenheit waren die Rebellen an den Kabinettstisch in Abidjan zurückgekehrt. Banny hat es geschafft, alle politischen Parteien auf ein minimales Konsensprogramm zu verpflichten, und zieht dieses durch. Er hat sich in einigen Streitpunkten gegen Präsident Gbagbo durchgesetzt. Er hat der Regierung neue Dynamik gegeben. Und die Menschen spüren das. Seit drei Monaten marschieren weder Rebellen im Norden zu Propagandazwecken, noch stürmen Gbagbo-treue Jugendmilizen in Abidjan die Straßen. Ein Symbol für die sich aufhellende Stimmung war schließlich, dass sich Staatschef Laurent Gbagbo und Rebellenführer Soro Guillaume trafen, lächelten und sich sogar die Hand gaben.

Aber neuerdings wird der Ton wieder feindseliger. Eugene Djué, Chef einer Gbagbo-treuen Jugendmiliz in Abidjan, kündigte einen ultimativen Kampf an, um endlich die Rebellen zu entwaffnen. Der Grund für den Stimmungsumschwung ist das alte Problem: Keine Seite will den ersten wirklichen Schritt Richtung Frieden tun. Die Gbagbo-Milizen wollen, dass als Erstes die Rebellen ihre Waffen abgeben. Die Rebellen wollen, dass zunächst die Wählerlisten revidiert werden, damit auch solche Bürger, denen aufgrund der restriktiven Nationalitätengesetze das Wahlrecht verweigert wurde, darauf stehen. Der einzige gemeinsame Nenner ist, sich nicht über den Weg zu trauen.

Dass Premier Banny am Wochenende erklärte, man habe sich darauf geeinigt, beide Schritte gleichzeitig beginnen zu lassen, und zwar am 18. Mai, mindert das Misstrauen nicht. Die Frist ist so knapp, dass technische Probleme genügen, um alles wieder scheitern zu lassen.

Eigentlich sollte die Ungewissheit Ende Oktober vorbei sein. Dann läuft das Mandat von Präsident Gbagbo ab. Also müssen Wahlen stattfinden. Aber knapp sechs Monate vor der Wahl rückt dieses Ziel in weite Ferne. Journalisten sagen es, Politiker sagen es, Diplomaten sagen es – aber alle hinter vorgehaltener Hand: „Arbeiten wir an dem Projekt Wahlen, als ob sie im Oktober stattfinden. Aber wie soll das gehen?“

Wenn es nicht geht – was kommt dann? Ein Vorschlag kursiert, Premier Banny alle Macht zu geben – in Form einer drei- bis fünfjährigen Übergangsregierung. Zunächst hat der UNO-Sicherheitsrat verfügt, dass die Blauhelmmission in der Elfenbeinküste aufgestockt wird. Bei aller Euphorie über Fußball – in der Elfenbeinküste wissen die meisten, dass selbst ein WM-Titel nicht ausreichen würde, um dieses Land zu versöhnen.