Kein Geflügel und kein Europäischer Haftbefehl

Auch wenn Sofia und Bukarest die Beitrittsbedingungen erfüllen, könnten bestimmte Klauseln zum „Schutz“ der EU erlassen werden

BRÜSSEL taz ■ Die EU-Kommission wird heute Nachmittag im Europaparlament in Straßburg erläutern, wie der Beitrittsprozess von Rumänien und Bulgarien weiter verlaufen soll. Drei Varianten sind denkbar: Der Bericht könnte die Empfehlung enthalten, die Aufnahme eines oder beider Länder um ein Jahr auf den 1. Januar 2008 zu verschieben. Das gilt als wenig wahrscheinlich, weil zumindest bei Bulgarien alle 25 EU-Regierungen zustimmen müssten. Bei Rumänien würde dagegen die qualifizierte Mehrheit genügen, um eine Verschiebung zu erreichen.

Der Bericht der EU-Kommission könnte als zweite Möglichkeit die Empfehlung enthalten, am geplanten Beitrittstermin 1. Januar 2007 festzuhalten. Die Regierungschefs müssten dann beim Juni-Gipfel in Brüssel einen entsprechenden Beschluss fassen, ebenfalls einstimmig. Fast die Hälfte aller Mitgliedsländer, darunter Deutschland und Frankreich, haben den Beitrittsvertrag im heimischen Parlament noch nicht ratifiziert. Vor allem die französische Regierung, die vor einem Jahr das Verfassungsreferendum unter anderem wegen Vorbehalten der Bevölkerung gegen eine zu rasche Erweiterung verlor, könnte ihr Veto einlegen.

Deshalb tippen Beobachter in Brüssel darauf, dass sich die Kommission heute für Variante drei entscheiden wird: Bis zum nächsten Fortschrittsbericht im Oktober soll die Entwicklung in beiden Ländern weiter beobachtet werden. Erst dann gibt Brüssel eine Empfehlung und die Staatschefs entscheiden auf einem Sondergipfel unter finnischer Präsidentschaft. Sollten dann tatsächlich beide Länder zwei Monate später aufgenommen werden, sieht der Beitrittsvertrag weitere Sicherheitsnetze vor. Es gibt eine allgemeine Schutzklausel für die Wirtschaft. Danach kann zum Beispiel einer der beiden Neulinge beantragen, bestimmte Wirtschaftsbereiche für eine Übergangszeit durch Schutzzölle gegen den Konkurrenzdruck des freien Marktes abzupolstern. Alte EU-Mitglieder könnten Einfuhrquoten für Produkte oder Arbeitsbeschränkungen für Bewerber aus Rumänien und Bulgarien erlassen. Die EU-Kommission muss die Maßnahmen genehmigen. Sie gelten bis zu drei Jahre nach dem Beitritt.

Spezielle Schutzklauseln sind zusätzlich für die Bereiche Binnenmarkt und Justiz vorgesehen. Zum Beispiel kann die Kommission auf Antrag die Einfuhr von Geflügel aus Rumänien verbieten, weil die Hygienestandards nicht den EU-Normen entsprechen. Oder sie kann den Europäischen Haftbefehl für Bulgarien außer Kraft setzen, weil ein dorthin ausgelieferter Verdächtiger nicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren zählen kann. Entsprechende Anträge können bis zu drei Jahre nach Beitritt gestellt werden. DANIELA WEINGÄRTNER