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Sich hängen lassen geht ins Geld

WAHLKAMPF Obwohl sie bis eine Woche nach der Bundestagswahl entfernt werden mussten, hängen in vielen Bezirken noch Wahlplakate rum. Den Parteien drohen nun Bußgelder

VON A. HAEMING UND P. LOKSHIN

Sieben Wochen ist die Bundestagswahl nun her, und der Berliner CDU-Politiker Philipp Lengsfeld ist richtig geknickt. Ja, sogar ein wenig zerrissen. Er hängt da im Niemandsland südlich der Leipziger Straße als Plastikplakat an einem Laternenmast, und sein Bezirk Mitte scheint sich nicht mehr für ihn zuständig zu fühlen. Ist ja quasi Kreuzberg.

Eigentlich dürfen Wahlplakate nur eine Woche nach der Wahl hängen bleiben, so will es das Wahlgesetz. Und bis die ganze Maschinerie aus Bezirken, Ordnungsämtern, Parteikreisverbänden dafür gesorgt hat, dass die Pappen verschwunden sind, kann es eben dauern. Vor allem in diesem Jahr, wo sich nahtlos der Wahlkampf zum Volksentscheid der Energietisch-Initiative anschloss. Grüne und Linke hatten in einigen Bezirken Sondergenehmigungen bekommen, um ihre Plakate für den zweiten Termin weiter zu verwenden. Da läuft die Abhängerei gerade.

Rechnung an die Partei

Aber Philipp Lengsfeld hängt eben trotzdem noch da in Mitte rum, auch in Neukölln, Pankow und Kreuzberg sind hier und da Wahlplakate übrig. „Wir versuchen, mit Augenmaß vorzugehen“, sagt Stefan Schönbaumsfeld vom Straßen- und Grünflächenamt in Mitte. „Das ist doch immer eine Frage der Verhältnismäßigkeit“, man habe gar kein Personal, um das zu kontrollieren. Wenn Hinweise von Bürgern kämen, schreibe man die Verantwortlichen in den Kreisverbänden der Parteien an. Aber wegen einzelner Plakate? Ach Quatsch.

Viele Bezirke fahren zweigleisig: Erste Abmahnungen verschicken sie nach zwei Wochen – wenn die Parteien dann nicht spuren, hängen die Bezirke nach ein, zwei Wochen die Plakate selbst ab oder beauftragen Firmen und schicken den Parteien dann die Rechnung. Und in manchen Bezirken kommt auch noch ein Bußgeld wegen Ordnungswidrigkeit obendrauf. Etwa in Marzahn-Hellersdorf: Bis 300 Euro Strafe können da pro Partei fällig werden. „Die Bescheide sind schon raus“, sagt der zuständige CDU-Bezirksstadtrat Christian Gräff, „die Parteien wissen das mittlerweile. Das Bußgeld reicht uns als scharfes Schwert.“

Neukölln, Spandau und Tempelhof reicht das nicht: Dort verlangen die Bezirke von den Parteien vor Wahlen eine Kaution. Der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky hat das 2005 eingeführt, damals wollte er 500 Euro, in diesem Jahr waren es 1.500. Seine Ordnungsamtschefin Nicole Gebell sagt: „Für uns macht das am meisten Sinn, sonst rennen wir dem Geld ewig hinterher.“ Verrechnet werde die Kaution mit den Kosten fürs Abhängen, maximal 650 Euro seien in diesem Jahr fällig geworden. Bußgelder kamen noch obendrauf – auch für 200 Plakate, die zu lange hingen.

Von der Neuköllner Kaution hält Oliver Igel, Bürgermeister von Treptow-Köpenick, nicht so viel: „Die ist niedriger als die Kosten, die beim Abhängen durch eine Firma entstehen.“ Parteien könnten die Arbeit also günstig den Bezirken überlassen.

Lichtenbergs Bezirksstadtrat Andreas Prüfer (Linke) sieht die Sache entspannt. Rechnungen fürs Abhängen bekommen die Parteien, Bußgelder gibt’s nur für notorische Hängenlasser. Momentan liegt in der Bezirksverordnetenversammlung ein Antrag, künftig pro Partei 1.500 Plakatvignetten gegen Gebühr zu verteilen.

Und, schiebt Prüfer noch hinterher, es gibt ein aktuelles Problem: Diese neuen Plakate aus Plastik könne man ja einfach abreißen. Also müsse man ja eigentlich auch klären, wer für die Kabelbinder zuständig sei.

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