Korrupte Medizin

Transparency International schätzt, dass Misswirtschaft und Bestechung das Gesundheitswesen Milliarden kosten

BERLIN taz ■ Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland (TI) fordert, im Rahmen der Gesundheitsreform gegen wachsende Korruption im Gesundheitssystem vorzugehen. Die Forderung stützt sich auf die deutsche Ausgabe des „Jahrbuchs Korruption 2006 – Schwerpunkt Gesundheitswesen“, die die Organisation gestern vorstellte.

Demnach gehen dem Gesundheitswesen jährlich 6 bis 20 Milliarden Euro durch Misswirtschaft, Betrug und Korruption verloren. 90 bis 95 Prozent der Delikte würden nie aufgedeckt. TI-Vorstandsmitglied Anke Martiny kritisierte die wachsende Zahl von Ärzten, die sich nicht erbrachte Leistungen bezahlen lassen. Genannt wurde das Beispiel einer Kölner Augenpatientin, der eine „Erweiterung der männlichen Harnröhre“ in Rechnung gestellt worden war. Ein Problem sei auch, dass die Pharmaindustrie versuche, über Selbsthilfegruppen Medikamente zu etablieren, von denen die Wirksamkeit noch nicht gesichert sei.

Schuld seien die undurchsichtigen, verkrusteten Strukturen von Ärzte-Selbstverwaltung und staatlicher Aufsicht. „Der Föderalismus leistet Korruption Vorschub“, sagte Martiny. Durch Ämterhäufungen bei Funktionären in Kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenkassen und Kammern seien Kontrollen schwierig und selten geworden.

Die Korruptionsbekämpfer fordern mehr Klarheit für Beitrags- und Steuerzahler – zum Beispiel darüber, welche Leistungen ein Arzt bei der Kasse abgerechnet hat und welche Verbindungen Forschungsinstitute mit Pharmafirmen haben. Zudem müsse die Justiz wirksamer gegen gefälschte medizinische Studien vorgehen. Gesetze reichten nicht aus: Es müsse eine Kultur entstehen, die Korruption in der Medizin ächte. GESA SCHÖLGENS