Truppen vorm Zaun

AUS WASHINGTONADRIENNE WOLTERSDORF

Die Vereinigten Staaten wollen dem Einwanderungsdruck aus Lateinamerika mit militärischen Mitteln begegnen. Das kündigte US-Präsident George Bush am Montagabend in einer seiner seltenen Fernsehansprachen aus dem Oval Office an. Er wolle mehr als 6.000 Nationalgardisten zur Unterstützung der Grenzpolizei in den Süden der Vereinigten Staaten, nach Texas, New Mexico, Arizona und Kalifornien, schicken. „Wir haben nicht mehr die volle Kontrolle über die Grenze, und ich bin entschlossen, das zu ändern“, sagte Bush. Das Programm soll 1,9 Milliarden Dollar kosten und bereits im kommenden Monat anlaufen.

Bush betonte, dass es sich dabei keinesfalls um die „Militarisierung“ der Grenze zu Mexiko handele. Vielmehr bleibe die Sicherung des 3.200 Kilometer langen Grenzstreifens weiter Aufgabe des Grenzschutzes. Die Truppen der Nationalgarde sollen diesen aber bei der Überwachung am Boden und aus der Luft unterstützen. Vorgesehen ist, dass die Nationalgarde zusätzliche Hightech-Kontrollinstrumente wie Bewegungssensoren und Infrarotkameras bereitstellt sowie unbemannte Aufklärungsflüge organisiert. Die Nationalgardisten, die als Reserve bereits seit über zwei Jahren die US-Truppen im Irak unterstützen, werden in der Öffentlichkeit als „Wochenendsoldaten“ bezeichnet. Neben ihrer Mobilisierung nach Bedarf üben die Nationalgardisten zivile Berufe aus. Der Einsatz an der Grenze soll sich auf jeweils zwei Wochen beschränken, sodass das auf ein Jahr befristete Programm die Mitwirkung von etwa 156.000 Personen erfordert. Bush rief den Kongress dazu auf, die Mittel für eine „massive Verbesserung“ bei Personal und technischer Ausstattung an der Grenze zu genehmigen.

Heftige Kritik kam aus Mexiko. Präsident Vicente Fox hatte bereits am Sonntag in einem Telefongespräch mit Bush seine Bedenken geäußert. Nach der Bush-Rede sagte Mexikos Regierungssprecher Ruben Aguilar, Mexiko habe keine andere Wahl, als die souveräne Entscheidung der USA zu akzeptieren. Der Präsidentschaftskandidat Felipe Calderon von Fox’ Nationaler Aktionspartei sagte, die verstärkte militärische Präsenz werde die Flüchtlinge gefährden, ohne die Einwanderungswelle nach Norden stoppen zu können.

Der US-Präsident warb zur besten Sendezeit außerdem für eine „umfassende“ Reform der Einwanderung, deren Kernstück seine zwei Jahre alte Idee eines Gastarbeiterprogramms ist. Auf dem Arbeitsmarkt soll künftig schärfer kontrolliert werden – mit Hilfe eines speziellen biometrischen Ausweises für ausländische Arbeitskräfte. Forderungen, alle geschätzten zwölf Millionen Illegalen auszuweisen, wies Bush als unrealistisch zurück. Stattdessen will er denen, die schon seit „vielen Jahren“ im Land leben, gegen eine Strafzahlung und andere Auflagen die Einbürgerung ermöglichen. Dieser Vorschlag wird von der Mehrheit der republikanischen Parlamentarier und vom Abgeordnetenhaus massiv abgelehnt.

Bushs Rede hatte in erster Linie zum Ziel, die konträren Positionen in der Immigrationsdebatte zu versöhnen und eine abgespeckte legale Alternative sowohl für Einreise als auch Einbürgerung zu bieten. Damit unterstützt Bush zugleich einen in Vorbereitung befindlichen Gesetzesvorschlag des US-Senats, der vorsieht, einem Großteil der Illegalen Wege zur Einbürgerung zu öffnen. Die Verhandlungen im Kongress, der in der Einwanderungsfrage tief gespalten ist, gehen in den kommenden 14 Tagen in die entscheidende Phase.

Mit dieser Politik geht Bush, dessen Zustimmungsrate unter die 30-Prozent-Marke sank, ein ziemlich hohes Risiko ein: Sollte die Einwanderungsreform trotz seines Krafteinsatzes im Kongress scheitern, würde ihm dies als ein weiteres Kapitel in seiner langen Pleitenserie ausgelegt.