DER ALTE MEISTER
: Die Summe aller Pinselstriche

Man könnte es mit Potenzrechnung probieren, um diesen exorbitanten Auktionspreis zu erklären: Alter Meister hoch zwei mal drei. Es wäre wenigstens eine Formel, die logisch wäre für einen Kunstmarkt, der sich in den vergangenen Jahren zu einem kaum zu durchschauenden Monopoly entwickelt hat. Das Auktionshaus Christie’s hat am Dienstagabend in New York Francis Bacons „Drei Studien von Lucian Freud“ versteigert. Die Bieter hatten sich gegenseitig am Ende auf unfassbare 142 Millionen Dollar hochgeschraubt. Ein Auktionsrekord: Vor zwei Jahren war der Hammer für Edward Munchs bekanntes Bild „Der Schrei“ bei 119,9 Millionen Dollar gefallen. Bacon gehört somit zu den teuersten Künstlern aller Zeiten.

Dabei ist es nicht der einzige Lucian Freud, der von Bacon stammt. Die zwei Giganten der britischen Nachkriegskunst waren eng befreundet und inspirierten sich gegenseitig. Gemeinsam waren sie Mitglieder der von den Mods geprägten Subkultur im Soho der 50er und 60er Jahre, teilten sich Modelle und saßen auch gegenseitig füreinander still. Den ersten Freud malte Bacon 1951. Allein an den Porträts und Studien der beiden lässt sich fast die ganze Entwicklung der beiden Maler, die zu Lebzeiten schon Legenden waren, aufzeigen. Bacon starb 1992, Freud erinnerte sich später, dass der Freund immer davon sprach, wie viel er in einen einzigen Pinselstrich packen würde. „Das war Millionen Meilen weit von dem entfernt, was ich konnte.“

Man könnte nun ausrechnen, was jeder dieser einzelnen Pinselstriche auf dem versteigerten Kunstwerk wert wäre. Auch das wäre in etwa so sinnvoll wie sich der Kunstmarkt zurzeit verhält: 2008 wurde ein Werk von Bacon, ebenfalls ein Triptychon, für 86 Millionen Dollar versteigert. Im Mai blieb eines seiner Bilder, das Experten auf 40 Millionen Dollar geschätzt hatten, in New York unverkauft liegen. JÖRN KABISCH