Die EU gibt’s nicht umsonst
: KOMMENTAR VON DIETMAR BARTZ

Die EU macht zwei richtige und zwei falsche Schritte. Richtig ist die Aufnahme Sloweniens in den Euro-Verbund. Richtig ist auch, Litauen noch nicht hineinzulassen. Falsch sind die EU-Beitritte Rumäniens und Bulgariens. Leider lassen sie sich nur noch verzögern, aber nicht mehr aufhalten. Ihr „Weg nach Europa“ hat diesen vier Ländern eine mühsame Modernisierung gebracht, nachdem die Menschen dort ihre alten Regimes gestürzt haben. Das verdient viel Sympathie und viel Unterstützung, aber nicht die automatische Erfüllung all ihrer Wünsche.

Die Währungstechnokraten urteilen hinsichtlich der Euro-Einführung wesentlich strenger als die Integrationspolitiker hinsichtlich der EU-Mitgliedschaft. Die litauische Regierung wird wegen der zu erwartenden hohen Inflationsrate für 2006 abgestraft – dabei ist ihr früh genug signalisiert worden, dass die Zeit noch nicht reif sei. Die Regierungen Rumäniens und Bulgariens sind im Reformprozess nicht weit genug gekommen. Hier war es kontraproduktiv zu vereinbaren, dass sie auf jeden Fall beitreten, wenn nicht im nächsten, dann im übernächsten Jahr. Wenig deutet darauf hin, dass die Reformen schnell genug kommen, wenn kein Druckmittel mehr vorhanden ist.

Ärgerlich ist auch, wie die Regierungen in Vilnius, Sofia und Bukarest das berechtigte öffentliche Interesse an der Integration in die EU zu eigenen Zwecken instrumentalisieren. Sie wecken erst Erwartungen – und erklären dann die EU zum Bösewicht, wenn ihre eigene Politik nicht wirksam genug ist. Ja, sie drohen sogar damit, dass sie sich von Europa abwenden. Die umgekehrte Drohung, dass sich dann eben Europa abwende, ist nur wirksam, wenn der EU doch noch ein Weg einfällt, die Verträge, falls nötig, auf Eis zu legen.

Die Integration und ihre Ausdehnung auf die beitrittswilligen Länder des Kontinents – einschließlich Türkei und sogar Ukraine – sind eine so reizvolle wie mühselige Aufgabe. Aber nur, wer das EU-Recht zur Korruptionsbekämpfung, zur Meinungsfreiheit und zur Hygiene auf den Schlachthöfen ernst nimmt, nimmt auch die EU ernst. Das gilt für die Anwärterstaaten ebenso wie für die EU selbst. Was zu wenig kostet, ist zu wenig wert.

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