Agententhriller an der Elbe

Hamburg war Hochburg der Bespitzelung von Journalisten. Hinweise auf Lauschangriff. Ausforschung von „Spiegel“- und „Stern“-Mitarbeitern bringt BND-Chef Uhrlau in Schwierigkeiten

Union und FDP wetzen die Messer gegen den SPD-Mann

Von Marco Carini

Ernst Uhrlau ist in Hamburg kein Unbekannter: das hanseatische Urgestein machte in der Stadt eine steile Karriere. 1975 noch Lehrer an der Landespolizeischule, stieg der Sozialdemokrat 1991 zum Chef des Verfassungsschutzamtes und 1996 zum Hamburger Polizeipräsidenten auf. Seit Dezember 2005 ist der 59-Jährige am Zenit seiner Karriere angekommen – als Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Doch nun droht dem Aufsteiger Uhrlau der abrupte Fall. Schuld daran sind ausgerechnet die Aktivitäten des BND in Uhrlaus alter Heimat. Wie an keinem anderen Ort der Republik waren seine Agenten bei der verdeckten Bespitzelung von Journalisten in Hamburg aktiv.

Im Visier: Mitarbeiter des Stern und des Spiegel, die wiederholt über die nicht immer ganz sauberen Machenschaften des Pullacher Dienstes berichtet hatten und dort in Verdacht standen, über interne Quellen in der BND-Zentrale zu verfügen.

Tatort Hamburg: Karl-Günther Barth, Wolfgang Kracht oder Hans Leydendecker lauten die Namen der Journalisten, die oft bis ins Privatleben hinein ausgeforscht wurden. Meist wurden in Stasi-Manier Kollegen auf die Autoren angesetzt, um den Dienst gegen klingende Münze über die Kontakte der schreibenden BND-Experten Rapport zu erstatten. Zuweilen aber erledigten auch professionelle Agenten die Überwachung missliebiger, weil gut informierter Reporter.

Inzwischen häufen sich die Indizien, dass der BND auch Telefonleitungen von Reportern anzapfen ließ und damit gegen geltendes Recht und Gesetz verstieß. In dem BND-Geheimbericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages ist von „eklatanten“ Gesetzesbrüchen die Rede. Hat Uhrlau, der vor seinem Wechsel zum BND als Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung für diesen bereits zuständig war, davon gewusst, ist er kaum zu halten. Hat er bei der Kontrolle aber versagt, sehen seine Zukunftsaussichten kaum besser aus.

In seiner heutigen Ausgabe legt der Stern noch einmal mit Details über den „Spitzel-Skandal“ nach, die bislang noch nicht bekannt waren. So gehe aus dem Schäfer-Bericht hervor, dass der Journalist Wilhelm Dietl vom BND insgesamt 652.738, 91 Mark dafür erhalten habe, Kollegen wie die Spiegel-Redakteure Hans Leyendecker und Georg Mascolo oder den Stern-Reporter Karl Günther Barth zu observieren. Dietl, selbst Autor mehrerer „Enthüllungsbücher“ über den BND, bestreitet die Spitzeldienste bis heute.

Brisant für den BND und seinen Chef Uhrlau könnte vor allem der Fund eines kleinen roten Gerätes in der Telefonanlage einer Jugendstilvilla im Hamburger Westen sein, die längere Zeit von dem Stern-Reporter und BND-Experten Hans Peter Schütz bewohnt wurde. Das Bauteil – in Fachkreisen Eton 23 genannt – dient der verdeckten Telefonüberwachung und trägt nach der Analyse eines Spezialinstitutes für Lauschabwehr „die Handschrift eines Geheimdienstes“.

Doch der BND dementiert vehement jeden Lauschangriff auf Journalisten. Gestern räumte Uhrlau zwar Rechtsverstöße des BND ein, betonte aber gleichzeitig, er habe „keinerlei Anzeichen dafür, dass auch die Telefone von Journalisten abgehört“ wurden.

Bei Union und FDP werden derweil die Messer gegen den SPD-Mann gewetzt. Als erster traute sich gestern der schleswig-holsteinische FDP-Bundestagsabgeordnete Jürgen Koppelin aus der Deckung. Seine Forderung: Uhrlau müsse umgehend zurücktreten.

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