Spieler mit Perspektive

Der Traditionsklub Carl Zeiss Jena ist auf dem Weg zur Zweitklassigkeit. Der DFB findet das ganz großartig

JENA taz ■ Die wenigen Stufen der Gegengerade sind ausgetreten. An manchen Stellen bröckelt der Putz und leichte Risse wandern durch den Beton. Hier, wo die vergangenen Jahre deutlich ihre Spuren hinterlassen haben, soll im August die Moderne der Fußball-Übertragungstechnik einziehen: fest installierte Podeste für die Kamerateams von Arena TV, des DSF und der Öffentlich-Rechtlichen. „Für mich wäre es absolut wünschenswert, wenn die Fernsehzuschauer zukünftig auf unsere Schokoladenseite blicken könnten“, sagt Jenas Pressesprecher Andreas Trautmann.

Ob die Kameras tatsächlich die Seite wechseln werden, um in den totalen Einstellungen die moderne Haupttribüne anstatt wie bislang die kleine und im Vergleich wenig repräsentative Gegengerade im Hintergrund zu haben, hängt zuerst von der Höhe der Kosten ab, die ein Gerüstbauunternehmer in den nächsten Tagen veranschlagen soll. Und noch mehr vom kommenden Samstag. Denn dann spielt der FC Carl Zeiss Jena im Ernst-Abbe-Sportfeld, das mit etwa 12.000 Zuschauern zum dritten Mal in dieser Regionalliga-Saison ausverkauft sein wird, gegen Fortuna Düsseldorf. Ein Unentschieden würde im vorletzten Saisonspiel schon genügen, um den Durchmarsch des einstigen Europapokalfinalisten von der Oberliga bis in die zweite Bundesliga zu besiegeln.

Die Chancen stehen gut: Seit Dezember 2005 hat der FC Carl Zeiss kein Pflichtspiel mehr verloren und in den zurückliegenden 682 Minuten noch nicht einmal ein Gegentor kassiert. Mit schnellem und attraktivem Fußball hat die junge Mannschaft die Regionalliga im Sturm genommen. An einen plötzlichen Leistungseinbruch will Trainer Heiko Weber, der sein Team im Stil eines Klopp führt, nicht glauben: „Meine Mannschaft ist jederzeit für ein Tor gut. Das wissen die Spieler. Und hinzu kommt natürlich, dass wir gerade in den zurückliegenden Spielen bewiesen haben, dass es unheimlich schwer ist, gegen uns überhaupt ein Tor zu erzielen.“

Der Erfolg hat in Jena System: Neben den Lizenzspielern steht in dieser Saison auch das U 20-Team vor dem Sprung in die Amateur-Oberliga. Die zweite Mannschaft würde also in der kommenden Saison auf Traditionsvereine wie Sachsen Leipzig, Chemnitz, Halle und bei einem Regionalliga-Abstieg des ewigen Rivalen sogar auf Erfurt treffen. Obendrein kann die A-Jugend den Wiederaufstieg in die Bundesliga schaffen.

Es existieren nach bitteren Jahren – 2001 entging der Ver- ein nur sehr knapp einer Insolvenz – inzwischen die besten Voraussetzungen, in Jena dauerhaft Profifußball zu installieren. Theo Zwanziger, der Geschäftsführende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, sieht den FC Carl Zeiss Jena sogar in der Rolle, im Osten für Signalwirkung zu sorgen: „Der sportliche Aufschwung in Jena, insbesondere in seiner Breite bis hinein in den Juniorenbereich, ist ein ermutigendes Zeichen für die Perspektiven des gesamten ostdeutschen Sports.“

MATHIAS LIEBING