Zeugen der Anklage

Aufgezeichnete Gespräche mit Flüchtlingen aus Dortmund zeigen: Der vom Auswärtigen Amt bestellte N‘Faly Keita aus Guinea gilt in seiner Heimat als skrupelloser Schleuser

von ANNIKA JOERES

Die von einem mutmaßlichen Menschenhändler begutachteten Flüchtlinge aus Guinea melden sich zu Wort. In Gesprächen, die von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt im April protokolliert wurden und der taz jetzt vorliegen, beschreiben sie ihre Begegnung mit N‘Faly Keita in Dortmund. Es soll nicht ihre erste gewesen sein. Viele geben an, Keita als Schlepper in ihrem Heimatland gekannt zu haben.

„Viele Familien haben sehr viel Geld für Herrn Keita aufgebracht, damit er sie in einen Schengen-Staat ihrer Wahl bringt. Keita begleitet sie persönlich, mit je einem gültigen Pass und Visum. Bei der Ankunft nimmt er ihnen Pass und Flugticket ab und lässt sie auf Bahnhof- oder Flughafenplätzen stehen.“

Derselbe Mann saß den interviewten Flüchtlingen nun in Dortmund gegenüber, diesmal bezahlt vom Ausländeramt. Die Flüchtlinge wurden alle der von Keita geführten Delegation aus Guinea in der Zentralen Ausländerbehörde vorgeführt.

„Er sagte, wir bräuchten keine Angst vor einer Abschiebung haben. Er kenne seine Kunden, für die Listen der Deutschen würde er [...] schreiben, wir kämen aus Sierra Leone.“

In seiner Heimat scheint Keita eine berüchtigte Person zu sein. Auch den Flüchtlingen, die in Dortmunds Heimen untergebracht sind, war er bekannt.

„Wir kennen Menschen persönlich, die von Keita in die Bundesrepubik Deutschland geschleust wurden.“

Besonders brisant ist die Aussage eines Zeugen. Er gibt an, bei der Anreise der Delegation Mitte März über den Flughafen Charles de Gaulle bei Paris seien ebenfalls ein Dutzend Menschen aus Guinea eingeschleust worden.

Die von den Dortmunder Behörden veranlasste Überprüfung der Identität von Flüchtlingen erscheint demnach als reine Farce. Schon vorher scheint fest gestanden zu haben, welche Menschen Keita der Abschiebung preisgibt und welche er durch sein Votum verschont.

„Die Vorstellung im Büro war extrem kurz. Außer den vier Delegationsmitgliedern waren noch vier Personen aus jeder guineischen Haupt-Ethnie anwesend, die uns in ihrer Muttersprache angesprochen haben. Manche Flüchtlinge haben in ihrer Muttersprache geantwortet, manche nicht. Dann hat Keita uns in eine zweispaltige Liste eingetragen: Guineer/nicht Guineer.

Auf diesem Weg hat Keita offensichtlich seine Wahl getroffen, die bisher für die Ausländerbehörde Dortmund maßgeblich war für eine Abschiebung. Laut Keita kommen 273 der insgesamt 321 untersuchten Flüchtlinge aus Guinea. Ihnen wurden daraufhin Passersatzpapiere ausgestellt. Nun droht ihnen die sofortige Abschiebung in den Folterstaat.